Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

172 Achtes Kapitel: Besuch in Paris. 
  
gründe meines Verhaltens nicht da, wo sie lagen, nämlich in 
dem Interesse an der Unabhängigkeit meines Vaterlandes von 
fremden Einflüssen, Einflüssen, die in unsrer kleinstädtischen 
Verehrung für England und Furcht vor Frankreich einen emp- 
fänglichen Boden fanden, sowie in dem Wunsche, uns von einem 
Kriege freizuhalten, den wir nicht in unserm Interesse, sondern 
in Abhängigkeit von östreichischer und englischer Politik geführt 
haben würden. In den Augen des Prinzen war ich, was ich 
natürlich nicht dem momentanen Eindruck bei meiner Vorstel- 
lung, sondern anderweitiger Sach= und Aktenkunde entnahm, 
ein reactionärer Parteimann, der sich auf die Seite Rußlands 
stellte, um eine absolutistische und Junker-Politik zu fördern. 
Es konnte nicht befremden, daß diese Ansicht des Prinzen und 
der damaligen Parteigenossen des Herzogs von Coburg sich 
auf die Tochter des Erstern, welche demnächst unfre Kron- 
prinzessin wurde, übertragen hatte. 
Schon bald nach ihrer Ankunft in Deutschland, im Februar 
1858, konnte ich durch Mitglieder des königlichen Hauses und 
aus eignen Wahrnehmungen die Ueberzeugung gewinnen, daß 
die Prinzessin gegen mich persönlich voreingenommen war. 
Ueberraschend war mir dabei nicht die Thatsache, wohl aber 
die Form, wie ihr damaliges Vorurtheil gegen mich im engen 
Familienkreise zum Ausdruck gekommen war: sie traue mir 
nicht. Auf Abneigung wegen meiner angeblich anti-englischen 
Gesinnung und wegen Ungehorsams gegen englische Einflüsse 
war ich gefaßt; daß die Frau Prinzessin sich aber in der Folge- 
zeit bei der Beurtheilung meiner Persönlichkeit von weiter- 
gehenden Verleumdungen beeinflussen ließ, mußte ich vermuthen, 
als sie in einem Gespräche, das sie mit mir, ihrem Tischnach- 
bar, nach dem 1866er Kriege führte, in halb scherzendem Tone 
sagte: ich hätte den Ehrgeiz, König zu werden oder tbenigstens 
Präsident einer Republik. Ich antwortete in demselben halb 
scherzenden Tone, ich sei für meine Person zum Republikaner
	        
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