176 Achtes Kapitel: Besuch in Paris.
dessen Regirung es in Frankreich gradezu Mode wurde, sich
in der Richtung übertriebener Ungenirtheit und des Verzichts
auf Höflichkeit besonders gegen Damen hervorzuthun. War
es nun auch in dieser Beziehung während des zweiten Kaiser-
reichs besser geworden, so blieben doch der Ton in der amt-
lichen und höfischen Gesellschaft und die Haltung des Hofs selbst
gegen die drei östlichen großen Höfe zurück. Nur in den der
amtlichen Welt fremden legitimistischen Kreisen war es zur
Zeit Louis Philipp's sowohl, wie Louis Napoleon's anders,
der Ton tadellos, höflich und gastlich, mit gelegentlichen Aus-
nahmen der jüngern, mehr verpariserten Herrn, die ihre Ge-
wohnheiten nicht der Familie, sondern dem Club entnahmen.
Der Kaiser, den ich bei meiner damaligen Anwesenheit in
Paris zum ersten Male sah, hat mir bei verschiednen Be-
sprechungen damals nur in allgemeinen Worten seinen Wunsch
und seine Absicht im Sinne einer französisch-preußischen Inti-
mität zu erkennen gegeben. Er sprach davon, daß diese beiden
benachbarten Staaten, die vermöge ihrer Bildung und ihrer
Einrichtungen an der Spitze der Civilisation ständen, auf ein-
ander angewiesen seien. Eine Neigung, Beschwerden, die durch
unfre Verweigerung des Anschlusses an die Westmächte hervor-
gerufen wären, mir gegenüber zum Ausdruck zu bringen, stand
nicht im Vordergrunde. Ich hatte das Gefühl, daß der Druck,
den England und Oestreich in Berlin und Frankfurt aus-
übten, um uns zu Kriegsdiensten im westmächtlichen Lager zu
nöthigen, sehr viel stärker, man könnte sagen, leidenschaftlicher
und gröber war als die in wohlwollender Form mir kund
gegebenen Wünsche und Versprechungen, mit denen der Kaiser
unfre Verständigung speciell mit Frankreich befürwortete. Er
war für unfre Sünden gegen die westmächtliche Politik viel
nachsichtiger als England und Oestreich. Er sprach nie Deutsch
mit mir, auch später nicht.
Daß mein Besuch in Paris am heimathlichen Hofe miß-