Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 207
lution, welches er an sich trägt, finden Sie auch an andern
Stellen wieder, ohne daß Sie Ihren Haß mit derselben Strenge
der Doctrin auch dahin richteten. Das Bonapartistische Regi-
ment im Innern mit seiner rohen Centralisation, seiner Ver-
nichtung der Selbständigkeiten, seiner Nichtachtung von Recht
und Freiheit, seiner offiziellen Lüge, seiner Corruption in Staat
und Börse, seinen gefügigen und überzeugungslosen Schreibern
blüht in dem von Ihnen mit unverdienter Vorliebe betrachteten
Oestreich ebenso wie in Frankreich und wird an der Donau
aus freier Machtvollkommenheit mit Bewußtsein in's Leben
gerufen, während Louis Napoleon es in Frankreich als vor-
handnes, ihm selbst unwillkommnes, aber nicht leicht zu ändern-
des Resultat der Geschichte vorfand.
Ich finde das „Besondre", welches uns heut zu Tage be-
stimmt, grade die Französische Revolution vorzugsweise als
Revolution zu bezeichnen, nicht in der Familie Bonaparte, son-
dern in der örtlichen und zeitlichen Nähe der Ereignisse und
in der Größe und Macht des Landes, auf dessen Boden sie
sich zutragen. Deßhalb sind sie gefährlicher, aber ich finde es
deshalb noch nicht schlechter, mit Bonaparte in Beziehung
zu stehn als mit andern von der Revolution erzeugten Exi-
stenzen oder mit Regirungen, welche sich freiwillig mit ihr
identificiren, wie Oestreich, und für die Ausbreitung revolutio-
närer Grundsätze thätig sind, wie England.
Ich will mit diesem Allen keine Apologie der Personen
und Zustände in Frankreich geben; ich habe für die erstern
keine Vorliebe und halte die letztern für ein Unglück jenes
Landes; ich will nur erklären, wie ich dazu komme, daß es
mir weder sündlich noch ehrenrührig erscheint, mit dem von
uns anerkannten Souverän eines wichtigen Landes in nähere
Verbindung zu treten, wenn es der Gang der Politik mit sich
bringt. Daß diese Verbindung an sich etwas Wünschenswerthes
sei, sage ich nicht, sondern nur, daß alle andern Chancen