Briefwechsel mit Gerlach über Legitimität und Bonapartismus. 211
im Fall der Noth nicht Einen Mann für uns in's Feld bringen,
die Furcht, wenn wir sie einzuflößen wissen, stellt den ganzen
Bund zu unsrer Disposition. Diese Furcht würde durch osten-
sible Zeichen unsrer guten Beziehungen zu Frankreich eingeflößt
werden.
Geschieht nichts der Art, so dürfte es schwer sein, diejenigen
wohlwollenden Beziehungen mit Frankreich lange durchzuführen,
welche auch Sie für wünschenswerth ansehn. Denn man wirbt
von dort um uns, man hat das Bedürfniß, sich ein reliet mit
uns zu geben, man hofft auf eine Zusammenkunft, und ein
Korb von uns müßte eine auch für andre Höfe erkennbare
Abkühlung bewirken, weil sich der „parvenu“ an der empfind-
lichsten Seite davon betroffen fühlen würde.
Schlagen Sie mir eine andre Politik vor, und ich will sie
ehrlich und vorurtheilsfrei mit Ihnen discutiren; aber eine
passive Planlosigkeit, die froh ist, wenn sie in Ruhe gelassen
wird, können wir in der Mitte von Europa nicht durchführen;
sie kann uns heut ebenso gefährlich werden, wie sie 1805 war,
und wir werden Ambos, wenn wir nichts thun, um Hammer
zu werden. Den Trost des „victa causa Catoni placuit“!)
kann ich Ihnen nicht zugestehn, wenn Sie dabei Gefahr
laufen, unser gemeinsames Vaterland in eine victa causa hin-
einzuziehn
Wenn meine Auffassung keine Gnade vor Ihnen findet, so
brechen Sie wenigstens nicht den Stab über meinen ganzen
Menschen, sondern erinnern Sie Sich, daß wir Jahre lang in
schweren Zeiten nicht nur denselben Boden hatten, sondern
auch dieselben Pflanzen darauf zogen und daß ich ein Mann
bin, der mit sich reden läßt und Unrecht abthut, wenn ihm die
Erkenntniß davon wird.
v. B.“
1) S. o. S. 199.