Wiederannäherung d. Königs an Bismarck. Unterredung m. Napoleon. 219
Ihnen nichts, Sie müssen Minister werden,“ so behielt ich doch
immer den Eindruck im Hintergrunde, daß diese Kundgebungen
dem Bedürfniß entsprangen, Manteuffel zur Unterwerfung,
zum „Gehorsam“ zu bringen. Auch wenn es dem Könige
Ernst gewesen wäre, so würde ich doch das Gefühl gehabt
haben, daß ich ihm gegenüber eine annehmbare Ministerstel-
lung nicht dauernd würde haben können?#.
Im März 1857 waren in Paris die Conferenzen zur Schlich-
tung des zwischen Preußen und der Schweiz) ausgebrochnen
Streites eröffnet worden. Der Kaiser, über die Vorgänge in
Berliner Hof- und Regirungskreisen stets wohl unterrichtet,
wußte offenbar, daß der König mit mir auf vertrauterm Fuße
stand als mit andern Gesandten und mich wiederholt als
Ministercandidaten in's Auge gefaßt hatte. Nachdem er in
den Händeln mit der Schweiz eine für Preußen äußerlich, und
namentlich im Vergleich mit der Oestreichs, wohlwollende Hal-
tung beobachtet hatte, schien er vorauszusetzen, daß er dafür
auf ein Entgegenkommen Preußens in andern Dingen zu
rechnen habe; er setzte mir auseinander, daß es ungerecht sei,
ihn zu beschuldigen, daß er nach der Rheingrenze strebe. Das
linksrheinische deutsche Ufer mit etwa 3 Millionen Einwohnern
würde für Frankreich Europa gegenüber eine unhaltbare
Grenze sein; die Natur der Dinge würde Frankreich dann
dahin treiben, auch Luxemburg, Belgien und Holland zu er-
werben oder doch in eine sichre Abhängigkeit zu bringen. Das
Unternehmen hinsichtlich der Rheingrenze würde daher Frank-
reich früher oder später zu einer Vermehrung von 10 bis
11 Millionen thätiger, wohlhabender Einwohner führen. Eine
solche Verstärkung der französischen Macht würde von Europa
unerträglich befunden werden, — „devrait engendrer la coa-
1) S. o. S. 101. 158.
2) Ueber Neuenburg, das sich von Preußen losgesagt und der Eid-
genossenschaft angeschlossen hatte, s. o. S. 183.