Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Entlassung Manteuffel's. Versetzung Bismarck's nach Petersburg. 231 
  
Die Wissenschaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf seinen 
intimen Beziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der 
Prinzessin, vom ersten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. 
Meine Beziehungen zu den Jesuiten waren damals noch un- 
getrübt, und ich besaß noch Stillfried's Wohlwollen. Ich ver- 
stand die durchsichtige Anspielung, begab mich am folgenden 
Tage (26. Januar) zu dem Regenten und sagte offen, ich hörte, 
daß ich nach Petersburg versetzt werden sollte, und bat um Er- 
laubniß, mein Bedauern darüber auszusprechen, in der Hoff- 
nung, daß es noch rückgängig gemacht werden könne. Die 
erste Gegenfrage war: „Wer hat Ihnen das gesagt?" Ich 
erwiderte, ich würde indiscret sein, wenn ich die Person nennen 
wollte, ich hätte es aus dem Jesuitenlager gehört, mit dem ich 
alte Fühlung hätte, und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in 
Frankfurt, in diesem Fuchsbau des Bundestags, dessen Ein- 
und Ausgänge ich bis auf die Nothröhren kennen gelernt hätte, 
brauchbarere Dienste leisten zu können als irgend einer meiner 
Nachfolger, der die sehr complicirte Stellung, die auf den Be- 
ziehungen zu vielen Höfen und Ministern beruhe, erst wieder 
kennen lernen müsse, da ich meine achtjährige Erfahrung auf 
diesem Gebiete, die ich in bewegten Zuständen gemacht, nicht 
vererben könnte. Mir wäre jeder deutsche Fürst und jeder 
deutsche Minister und die Höfe der bundesfürstlichen Residenzen 
persönlich bekannt, und ich erfreute mich, so weit es für Preußen 
erreichbar sei, eines Einflusses in der Bundesversammlung und 
an den einzelnen Höfen. Dieses erworbene und erkämpfte 
Capital der preußischen Diplomatie würde zwecklos zerstört 
durch meine Abberufung von Frankfurt. Die Ernennung von 
Usedom werde das Vertraun der deutschen Höfe abschwächen, 
bevorstehenden Versetzung nach Petersburg müssen schon früher zu Bis- 
marck's Kenntniß gekommen sein, da er schon im Briefe vom 10. De- 
cember 1858 seine Schwester zu einem Besuche in Frankfurt auffordert, 
wehe ich an der Newa kaltgestellt werde“.
	        
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