2 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
lichen Sympathien blieben auf Seiten der Autorität. Harmodius
und Aristogiton sowohl wie Brutus waren für mein kindliches
Rechtsgefühl Verbrecher und Tell ein Rebell und Mörder.
Jeder deutsche Fürst, der vor dem 30jährigen Kriege dem
Kaiser widerstrebte, ärgerte mich; vom Großen Kurfürsten an
aber war ich parteiisch genug, antikaiserlich zu urtheilen und
natürlich zu finden, daß der siebenjährige Krieg sich vorbereitete.
Doch blieb mein deutsches Nationalgefühl so. stark, daß ich im
Anfang der Universitätszeit zunächst zur Burschenschaft in Be-
ziehung gerieth, welche die Pflege des nationalen Gefühls als
ihren Zweck bezeichnete. Aber bei persönlicher Bekanntschaft
mit ihren Mitgliedern mißfielen mir ihre Weigerung, Satis-
faction zu geben, und ihr Mangel an äußerlicher Erziehung
und an Formen der guten Gesellschaft, bei näherer Bekannt-
schaft auch die Extravaganz ihrer politischen Auffassungen, die
auf einem Mangel an Bildung und an Kenntniß der vor-
handnen, historisch gewordnen Lebensverhältnisse beruhte, von
denen ich bei meinen siebzehn Jahren mehr zu beobachten Ge-
legenheit gehabt hatte als die meisten jener durchschnittlich ältern
Studenten: ich hatte den Eindruck einer Verbindung von
Utopie und Mangel an Erziehung. Gleichwohl bewahrte ich
innerlich meine nationalen Empfindungen und den Glauben,
daß die Entwicklung der nächsten Zukunft uns zur deutschen
Einheit führen werde; ich ging mit meinem amerikanischen
Freunde Coffin die Wette darauf ein, daß dieses Ziel in zwanzig
Jahren erreicht sein werde.
In mein erstes Semester fiel die Hambacher Feier (27. Mai
1832) , deren Festgesang mir in der Erinnrung geblieben ist,
1) Unter dem Hambacher Fest versteht man die große Volksversamm-
lung, die am 27. Mai 1832 auf dem Schlosse Hambach (jetzt Maxburg)
bei Neustadt a. d. H. abgehalten wurde; vor etwa 30000 Menschen ent-
wickelten hier die Volksredner Wirth und Siebenpfeiffer ihr politisches
Programm einer Einigung Deutschlands unter den Formen der Republik