Schreiben des Königs in Sachen des Abschiedsgesuchs. 239
Wenn ich Ihnen den Brief des Grls von Manteuffel in der
Memeler Angelegenheit ) sendete 1, weil er mir ein Novum
C# Tottleben zu enthalten schien und ich deshalb Ihre Ansicht
hören wollte, wenn ich Ihnen Grls von Boyen Brief mittheilte,
ebenso einige Zeitungs-Ausschnitte, bemerkend, daß diese Piècen
genau das wiedergäben, was ich unverändert seit Jahr
und Tag überall und aokficiel ausgesprochen hätte — so
sollte ich glauben, daß ich mein Vertrauen kaum steigern könnte.
Daß ich aber überhaupt mein Ohr den Stimmen verschließen
sollte, die in gewissen gewichtigen Augenblicken sich vertrauens-
voll an mich wenden, — das werden Sie selbst nicht verlangen.
Wenn ich hier einige der Punkte heraushebe, die Ihr
Schreiben als Gründe anführt, die Ihre jetzige Gemüthsstim-
mung herbeiführten, während ich andere unerörtert ließ, so
komme ich noch auf Ihre eigne Aeußerung zurück, daß Sie
Ihre Stimmung eine krankhafte nennen; Sie fühlen sich müde,
erschöpft?), Sehnsucht nach Ruhe beschleicht Sie. Das alles
verstehe ich vollkommen, denn ich fühle es Ihnen nach; — kann
und darf ich) deshalb daran denken, mein Amt niederzulegen?)
Ebenso wenig wie ich dies darf, ebenso wenig dürfen Sie esl
Sie gehören sich nicht allein, sich selbst an; Ihre Existenz ist
mit der Geschichte Preußens, Deutschlands, Europas zu eng
verbunden, als daß Sie sich von einem Schauplatz zurückziehen
dürfen, den Sie mit schaffen halfen. Aber damit Sie sich dieser
Schöpfung auch ganz widmen können, müssen #) Sie sich Er-
X) Es handelte sich um die Eisenbahn Memel-Tilsit. Der König
war durch einen Brief des Generals von Manteuffel bestimmt worden,
von einer auf Vortrag der Ressortminister getroffenen Entscheidung
wieder abzugehen.
1) Bismarck am Rande: Ordre!
:) Bismarck am Rande: wodurch?
2) Im Original doppelt unterstrichen.
4) Bismarck am Rande: nein, aber vertraun, was man nicht selbst
sehn kann bei 30 Mill., und glauben, was ein Minister amtlich versichert!
") Im Original doppelt unterstrichen.