262 Zehntes Kapitel: Petersburg.
anders als in einem persönlichen Conflict zwischen dem Grafen
Rechberg und mir ihre Lösung finden könnten. — Wie ich ihn
beurtheile und wie es die östreichische Auffassung des Brief-
geheimnisses überhaupt mit sich bringt, wird er sich durch den
Umstand, daß diese Beweise einem geöffneten Briefe entnommen
sind, von der Production derselben nicht abhalten lassen. Ich
traue ihm vielmehr zu, daß er sich ausdrücklich darauf be-
ruft, die Depesche könne nur in der Absicht auf die Post ge-
geben sein, damit sie zur Kenntniß der kaiserlichen Regirung
gelange.“
Als ich 1852 die Gesandschaft in Wien zu leiten hatte,
stieß ich dort auf die Gewohnheit, wenn der Gesandte eine
Mittheilung zu machen hatte, die Instruction, durch die er von
Berlin aus dazu beauftragt war, dem östreichischen Minister
des Auswäxrtigen im Original einzureichen. Diese für den
Dienst ohne Zweifel nachtheilige Gewohnheit, bei der eigentlich
die vermittelnde Amtsthätigkeit des Gesandten als überflüssig
erschien, war dergestalt tief eingerissen, daß der damalige, seit
Jahrzehnten in Wien einheimische Kanzleivorstand der Gesand-
schaft aus Anlaß des von mir ergangnen Verbots mich auf-
suchte, um mir vorzustellen, wie groß das Mißtraun der kaiser-
lichen Staatskanzlei sein werde, wenn wir plötzlich in der lang-
jährigen Gepflogenheit eine Aenderung eintreten ließen; man
würde namentlich mir gegenüber zweifelhaft werden, ob meine
Einwirkung auf den Grafen Buol wirklich dem Text meiner
Instructionen und also den Intentionen der Berliner Politik
entspräche.
Um sich selbst gegen Untreue der Beamten des auswärtigen
Ressorts zu schützen, hat man in Wien zuweilen sehr drastische
Mittel angewandt. Ich habe einmal ein geheimes östreichisches
Actenstück in Händen gehabt, aus dem mir dieser Satz erinner-
lich geblieben ist:
„Kaunitz ne sachant pas deméler, lequel de ses quatre