Mittheilungen Roon's über den Verlauf der Ministerkrisis. 281
schadet. Das Geschwür war reif. Schl. selbst, überzeugt von
der Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Systems, hat vornehmlich
deshalb seinen Abtritt genommen, wie die Ratten ein baufäl-
liges Schiff zu verlassen pflegen. Aber er und v. d. Heydt
stimmten darin überein, daß man todte abgenutzte Leute nicht
durch den galvanischen Strich eines vermeintlichen Märtyrer-
thums wieder lebendig machen dürfe, und darum gegen mich.
Schl., unterstützt von der K. A.#) und der Großfürstin Helene,
haben obgesiegt mit Hülfe der wieder ausgenommenen Krönungs-
idee, für welche die Mäntel schon im Februar bestellt worden
waren. Der schlecht maskirte Rückzug wurde nun angetreten
und die fast fertige Ministerliste ad acta gelegt. Uebrigens bin
ich zu glauben sehr geneigt, daß Schl., wie die K. A.v) und selbst
der Fürst Hohenzollern, an den nahen Untergang des jetzigen
Lügensystems glauben und ihn zu befördern geneigt sind. Daß
Schl. ausgetreten, ist in jeder Beziehung ein Fortschritt, wie-
wohl er nicht auf dem doctrinären Boden von Patow, Auers-
wald und Schwerin steht. Abgesehn von seiner Impotenz im
Handeln stützte seine Anwesenheit das Ministerium nach oben.
Der Mignon durfte nicht fallen; wohlan! er ist nun im
Hafen?). Wenn Graf Bernstorff nur halb der Mann ist, für
den er von Vielen ausgegeben wird, so ist dieser zweite Keil
wirksamer als der erste, oder er bleibt nicht vier Monate im
Amte. Daß ich mich in der Huldigungsfrage mit meinen Ge-
spielen für immer auch äußerlich entzweit, wissen Sie wohl durch
Manteuffel oder Alvensleben. Wenn ich dennoch in „dieser Ge-
sellschaft" bleibe, so geschieht es, weil der Klönig) darauf besteht
und ich, unter den jetzigen Umständen von jeder Rücksicht ent-
bunden, nunmehr mit offenem Visir sortkämpfen kann. Es sagt
1) Königin Augusta.
:) Witwe des Großfürsten Michael, Tochter des Prinzen Paul von
Würtemberg.
2) Schleinitz erhielt das Ministerium des Königlichen Hauses.