Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

298 Elftes Kapitel: Zwischenzustand. 
  
in's Hôtel Royal einlagern soll, dazu fehlt aller Grund, die 
Zeit ist besser im Bade zu verwenden. 
Ich bin doch erstaunt von der politischen Unfähigkeit unfrer 
Kammern, und wir sind doch ein sehr gebildetes Land; ohne 
Zweifel zu sehr; die Andern sind bestimmt auch nicht klüger 
als die Blüthe unfrer Klassenwahlen, aber sie haben nicht dieß 
kindliche Selbstvertraun, mit dem die Unfrigen ihre unfähigen 
Schamtheile in voller Nacktheit als mustergültig an die Oeffent- 
lichkeit bringen. Wie sind wir Deutschen doch in den Ruf 
schüchterner Bescheidenheit gekommen? Es ist keiner unter uns, 
der nicht vom Kriegführen bis zum Hundeflöhn alles besser ver- 
stände als sämmtliche gelernte Fachmänner, während es doch 
in andern Ländern viele giebt, die einräumen, von manchen 
Dingen weniger zu verstehn als andre, und deshalb sich be- 
scheiden und schweigen. 
Den 16. Ich muß heut schleunig schließen, nachdem meine 
Zeit von andern Geschäften fortgenommen ist. 
Mit herzlichen Empfehlungen an die Ihrigen bin ich in 
alter Treue 
Ihr 
Roon antwortete mir am 31. August 1862: 
„Mein lieber Bismarck, 
Sie werden sich ungefähr denken können, warum ich Ihnen 
bisher nicht geantwortet; ich hoffte und hoffte immer wieder 
auf eine Entscheidung oder doch auf eine Situation, welche eine 
acute Lösung herbeiführen müßte. Leider haben meine, unsere 
Leiden noch immer einen ganzchronischen Charakter. Jetzt ist ein 
neues Moment — die Freisprechung der Verleumder v. d. Heydt's 
— hinzugetreten, aber auch das wird sich im märkischen Sande 
verlaufen. Ich habe mich der misere générale 1) auf einige Tage 
v. B.“ 
!) Dem allgemeinen Elend.
	        
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