Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

300 Elftes Kapitel: Zwischenzustand. 
ich kann an meinem eigenen Ekel den Ihrigen ermessen. Aber 
ich hoffe noch immer, daß Sie um deswillen nicht boudiren, 
sondern sich vielmehr der altritterlichen Pflicht erinnern werden, 
den König herauszuhauen, auch wenn er, wie geschehen, sich 
muthwillig in Gefahr begab. Aber Sie sind ein Mensch, und 
was mehr ist, ein Gatte und Familienvater. Sie wollen, neben 
aller Arbeit, auch eine Häuslichkeit und ein Familienleben. 
Sie haben ein Recht darauf, c'est convenu 1½! Sie müssen also 
wissen, bald wissen, wo Ihr Bett und Ihr Schreibtisch aufge- 
stellt werden soll, ob in Paris oder Berlin. Und das Wort des 
Königs, daß Sie Sich in Paris nicht etabliren sollen, ist bis 
jetzt, soviel ich weiß, noch nicht zurückgenommen. Sie mühssen 
Gewißheit haben. Ich will das Meinige — und zwar nicht 
blos aus Selbstsucht, sondern aus patriotischem Interesse — 
dazu beitragen, daß Ihnen diese Gewißheit baldigst werde. Ich 
fingire daher, und zwar so lange, bis Sie es mir untersagen, 
von Ihnen zur Herbeiführung dieser Gewißheit privatim be- 
auftragt zu sein. Nach den letzten Unterredungen mit Serenissimo 
über Sie habe ich ohnehin mein spezielles persönliches Interesse 
für Sie bereits verwerthen müssen. Ich kann daher auch von 
Ihrer unerträglichen Situation sprechen, die besonders darin 
begründet ist, daß Sie ausdrücklich verhindert werden, Sich in 
Paris zu etabliren. Dergleichen Motive werden verstanden, 
wirken daher vielleicht mehr als politische Erwägungen. Ich 
fingire daher Ihr Einverständniß und rathe, Sie einstweilen 
zum Minister-Präsidenten ohne Portefeuille zu ernennen, was 
ich bisher vermieden; es geht nicht anders! Wollen Sie dies 
absolut nicht, so desavouiren Sie mich oder gebieten Sie mir 
Schweigen. Ich spreche den Herrn am 7. in einer ganz ver- 
traulichen Audienz, die er mir für diesen Tag bei seiner Durch- 
reise nach Carlsruhe zur Taufe (am 9.99.) zugesagt hat. Sie 
haben also auch noch Zeit zum Protestiren. 
1) Das gestehe ich zu.
	        
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