Unterredung mit dem König auf Schloß Babelsberg. 305
Gründe motivirt, bereits entworfen.“ Der König zeigte mir
das auf dem Tische liegende Actenstück in seiner Handschrift,
ob bereits vollzogen oder nicht, weiß ich nicht. Se. Mcjestät
schloß, indem er wiederholte, ohne geeignete Minister könne er
nicht regiren.
Ich erwiderte, es sei Sr. Majestät schon seit dem Mai be-
kannt, daß ich bereit sei, in das Ministerium einzutreten, ich sei
gewiß, daß Roon mit mir bei ihm bleiben werde, und ich
zweifelte nicht, daß die weitre Vervollständigung des Cabinets
gelingen werde, falls andre Mitglieder sich durch meinen Ein-
tritt zum Rücktritt bewogen finden sollten. Der König stellte
nach einigem Erwägen und Hin= und Herreden die Frage, ob
ich bereit sei, als Minister für die Militär-Reorganisation ein-
zutreten, und nach meiner Bejahung die weitre Frage, ob auch
gegen die Majorität des Landtags und deren Beschlüsse. Auf
meine Zusage erklärte er schließlich: „Dann ist es meine Pflicht,
mit Ihnen die Weiterführung des Kampfes zu versuchen, und
ich abdicire nicht.“ Ob er das auf dem Tische liegende Schrift-
stück vernichtet oder in rei memoriam #) aufbewahrt hat, weiß
ich nicht.
Der König forderte mich auf, ihn in den Park zu begleiten.
Auf diesem Spaziergange gab er mir ein Programm zu lesen,
das in seiner engen Schrift acht Folioseiten füllte, alle Even-
tualitäten der damaligen Regirungspolitik umfaßte und auf
Details wie die Reform der Kreistage einging. Ich lasse es
dahin gestellt sein, ob dieses Elaborat schon Erörterungen mit
meinen Vorgängern zur Unterlage gedient hatte oder ob es
zur Sicherstellung gegen eine mir zugetraute conservative Durch-
gängerei dienen sollte. Ohne Zweifel war, als er damit um-
ging, mich zu berufen, eine Befürchtung der Art in ihm von
seiner Gemalin geweckt worden, von deren politischer Begabung
1) Zur Erinnerung daran.
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 20