314 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
girung haben wir als russische Vasallen gelebt, 1831, wo Ruß-
land ohne uns kaum mit den Polen fertig geworden wäre,
namentlich aber in allen europäischen Constellationen von 1831
bis 1850, wo wir immer russische Wechsel acceptirt und hono-
rirt haben, bis nach 1848 der junge östreichische Kaiser 1 dem
russischen besser gesiel als der König von Preußen, wo der
russische Schiedsrichter kalt und hart gegen Preußen und (seine)
deutscheln) Bestrebungen entschied und sich für die Freundschafts-
dienste von 1813 voll bezahlt machte, indem er uns die Ol-
mützer Demüthigung aufzwang. Später kamen wir Rußland
gegenüber im Krimkriege, im polnischen Ausstande von 1863
bedeutend in Vorschuß, und wenn wir in dem genannten Jahre
Alexander's II. eigenhändiger Aufforderung zum Kriege nicht
Folge leisteten ) und er darüber und in der dänischen Frage
Empfindlichkeit bewies, so zeigt dies nur, wie weit der russische
Anspruch schon über Gleichberechtigung hinaus gediehn war
und Unterordnung verlangte.
Das Desicit auf unfrer Seite war einmal durch Verwand-
schafts-Gefühl, durch die Gewohnheit der Abhängigkeit, in
welcher die geringre Energie von der größern stand, sodann
durch den Irrthum bedingt, als ob Nicolaus dieselben Gesin-
nungen wie Alexander I. für uns hege und dieselben Ansprüche
auf Dankbarkeit aus der Zeit der Freiheitskriege habe. In
der That aber trat während der Regirung des Kaisers Nico-
laus kein im deutschen Gemüth wurzelndes Motiv hervor,
unfre Freundschaft mit Rußland auf dem Fuße der Gleichheit
zu pflegen und (nicht) ) mindestens einen analogen Nutzen
daraus zu ziehn wie Rußland aus unfrer Dienstleistung. Etwas
mehr Selbstgefühl und Kraftbewußtsein würde unsern Anspruch
) Franz Joseyh.
*:) Vgl. u. S. 350. Näheres über diesen Kriegsplan s. II 70 ff.
*) Ergänzung des Herausgebers. — Der Sinn des Satzes im Zu-
sammenhang mit dem vorhergehenden verlangt die Verneinung.