Unwürdige Rolle Preußens auf dem Pariser Congreß. 317
Stellung für die Eoventualität der nach Lage der Dinge vor-
auszusehenden russisch-französischen gegenseitigen Annäherung
angebahnt habe. Daß der Kaiser Napoleon damals die russische
Freundschaft schon in Aussicht nahm, daß für maßgebende
Kreise in England der Friedensschluß verfrüht erschien, konnte
in dem Auswärtigen Amte in Berlin nicht zweifelhaft sein.
Wie würdig und unabhängig wäre unfre Stellung gewesen,
wenn wir uns nicht in den Pariser Congreß in einer demüthi-
genden Weise eingedrängt, sondern bei mangelnder rechtzeitiger
Einladung unfre Betheiligung versagt hätten. Bei angemessener
Zurückhaltung würden wir in der neuen Gruppirung umworben
worden sein, und schon äußerlich wäre unfre Stellung eine
würdigere gewesen, wenn wir unfre Einschätzung als europäüsche
Großmacht nicht von diplomatischen Gegnern abhängig gemacht,
sondern lediglich auf unser Selbstbewußtsein basirt hätten, in-
dem wir uns des Anspruchs auf Betheiligung an europäüschen
Abmachungen enthielten, welche für Preußen kein Interesse
hatten, als höchstens nach Analogie der Reichenbacher Convention
das der Eitelkeit des Prestige und des Mitredens in Dingen,
die unfre Interessen nicht berührten.
Die versäumten Gelegenheiten, welche in die beiden Zeit-
räume von 1786 bis 1806 und von 1842 bis 1862 fallen, sind
den Zeitgenossen nur selten verständlich geworden, noch seltner
ist die Verantwortlichkeit dafür sofort richtig vertheilt worden.
Erst die Ausschüttung der Archive und die Denkwürdigkeiten
Mithandelnder und Mitwissender setzten 50 bis 100 Jahre
später die öffentliche Meinung in den Stand, für die einzelnen
Mißgriffe das #chrov ebsoc 1), die Gabelung auf den unrich-
tigen Weg zu erkennen. Friedrich der Große hinterließ ein
reiches Erbe von Autorität und von Glauben an die preußische
Politik und Macht. Seine Erben konnten, wie heut der neue
1) Die erste Täuschung, der Grundirrthum.