324 Zwölftes Kapitel: Rückblick auf die preußische Politik.
Klasse und Handwerkern gefüllten Bahnhofe, im Dunkeln auf
einer umgestürzten Schiebkarre sitzend. Meine Absicht, indem
ich die Gelegenheit zu einer Unterredung suchte, war, Se. Maje-
stät über eine Aufsehn erregende Aeußerung zu beruhigen,
welche ich am 30. September in der Budget-Commission ge-
than hatte und die zwar nicht stenographirt, aber in den Zei-
tungen ziemlich getreu wiedergegeben war ½).
Ich hatte für Leute, die weniger erbittert und von Ehrgeiz
verblendet waren, deutlich genug gesagt, wo ich hinaus wollte.
Preußen könne — das war der Sinn meiner Rede — wie
schon ein Blick auf die Karte zeige, mit seinem schmalen lang-
gestreckten Leibe die Rüstung, deren Deutschland zu seiner
Sicherheit bedürfe, allein nicht länger tragen; diese müsse sich
auf alle Deutschen gleichmäßig vertheilen. Dem Ziele würden
wir nicht durch Reden, Vereine, Majoritätsbeschlüsse näher
kommen, sondern es werde ein ernster Kampf nicht zu vermei-
den sein, ein Kampf, der nur durch Eisen und Blut erledigt
werden könne. Um uns darin Erfolg zu sichern, müßten die
Abgeordneten das möglichst große Gewicht von Eisen und Blut
in die Hand des Königs von Preußen legen, damit er es nach
seinem Ermessen in die eine oder die andre Wagschale werfen
könne. Ich hatte demselben Gedanken schon im Abgeordneten-
hause 1849 Schramm gegenüber auf der Tribüne Ausdruck
gegeben bei Gelegenheit einer Amnestie-Debatte 5).
Roon, der zugegen war, sprach beim Nachhausegehn seine
Unzufriedenheit mit meinen Aeußerungen aus, sagte u. A., er
hielte dergleichen „geistreiche Excurse“ unfrer Sache nicht für
förderlich. Meine eignen Gedanken bewegten sich zwischen dem
Wunsche, Abgeordnete für eine energische nationale Politik zu
gewinnen, und der Gefahr, den König in seiner vorsichtigen
1) Vgl. Bismarck's Politische Reden (Ausg. von H. Kohl), II. Bd.
2. Aufl. S. 20 ff. Vgl. dazu Rede vom 28. Jan. 1886 Bd. XI 419.
2) Vgl. Rede vom 22. März 1849, Politische Reden 1 76 f.