12 Erstes Kapitel: Bis zum Ersten Vereinigten Landtage.
zu große Neigung zur Kritik mit. Ich erinnre mich, daß ich
als stellvertretender Landrath über den Plan, die Wahl der
Landräthe abzuschaffen, gutachtlich zu berichten hatte und mich
so aussprach, die Bürokratie sinke in der Achtung vom Land-
rath aufwärts; sie habe dieselbe nur in der Person des Land-
raths bewahrt, der einen Januskopf trage, ein Gesicht in der
Bürokratie, eins im Lande habe.
Die Neigung zu befremdendem Eingreifen in die verschie-
densten Lebensverhältnisse war unter dem damaligen väter-
lichen Regimente vielleicht größer als heut, aber die Organe
zum Eingreifen waren weniger zahlreich und standen an Bil-
dung und Erziehung höher als ein Theil der heutigen. Die
Beamten der Königlichen hochlöblichen Regirung waren ehr-
liche, studirte und gut erzogne Beamte, aber ihre wohlwollende
Thätigkeit fand nicht immer Anerkennung, weil sie sich ohne
locale Sachkunde auf Details zersplitterte, in Betreff deren die
Ansichten des gelehrten Stadtbewohners am grünen Tische
nicht immer der Kritik des bäuerlichen gesunden Menschen-
verstandes überlegen waren. Die Mitglieder der Regirungs-
Collegien hatten damals multa, nicht multum zu thun, und
der Mangel an höhern Aufgaben brachte es mit sich, daß sie
kein ausreichendes Quantum wichtiger Geschäfte fanden und in
ihrem Pflichteifer sich über das Bedürfniß der Regirten hinaus
zu thun machten, in die Neigung zur Reglementirerei, zu dem,
was der Schweizer „Befehlerle“ nennt, geriethen.
Man hatte, um einen vergleichenden Blick auf die Gegen-
wart zu werfen, gehofft, daß die Staatsbehörden durch die Ein-
führung der heutigen localen Selbstverwaltung an Geschäften
und an Beamten würden entbürdet werden; aber im Gegen-
theile, die Zahl der Beamten und ihre Geschäftslast sind durch
Correspondenzen und Frictionen mit den Organen der Selbst-
verwaltung von dem Provinzialrathe bis zu der ländlichen Ge-
meindeverwaltung erheblich gesteigert worden. Es muß früher