Die neuen Minister: Jagow, Selchow, Eulenburg, Roon. 343
Der König hatte Zweifel an Graf Eulenburg's Sachkunde auf
dem Gebiete des Innern, wollte ihm das Handelsministerium,
dem Grafen Itzenplitz die Landwirthschaft und Selchow das
Innre geben. Ich entwickelte dem gegenüber, daß die ressort-
mãßige Sachkunde als Handelsminister bei Eulenburg und
Selchow auf ziemlich gleicher Stufe stehn und jedenfalls mehr
bei ihren Räthen als bei ihnen selbst zu suchen sein würde, daß
ich in diesem Falle viel mehr Gewicht auf persönliche Begabung,
Geschick und Menschenkenntniß legte als auf technische Vor-
bildung. Ich gäbe zu, daß Eulenburg arbeitsscheu und ver-
gnügungssüchtig sei; er sei aber auch gescheidt und schlagfertig,
und wenn er als Minister des Innern in der nächsten Zeit als
der Vorderste auf der Bresche stehn müsse, so werde das Be-
dürfniß, sich zu wehren und die Schläge, die er bekommen, zu
erwidern, ihn aus seiner Unthätigkeit heraus spornen. Der
König gab mir endlich nach, und ich glaube auch noch heut, daß
meine Wahl den Umständen nach richtig war; denn wenn ich
auch unter dem Mangel an Arbeitsamkeit und Pflichtgefühl
meines Freundes Eulenburg mitunter schwer gelitten habe, so
war er doch in den Zeiten seiner Arbeitslust ein tüchtiger
Gehülfe und immer ein feiner Kopf, nicht ohne Ehrgeiz und
Empfindlichkeit, auch mir gegenüber. Wenn die Periode der
Entsagung und angestrengten Arbeit länger als gewöhnlich
dauerte, so verfiel er in nervöse Krankheiten. Jedenfalls waren
er und Roon die Hervorragendsten in dem Conflictsministerium.
Roon aber war der einzige unter meinen spätern Collegen,
der bei meinem Eintritt in das Amt sich der Wirkung und des
Zweckes desselben und des gemeinsamen Operationsplanes be-
wußt war und den letztern mit mir besprach. Er war unerreicht
in der Treue, Tapferkeit und Leistungsfähigkeit, womit er vor
und nach meinem Eintritt die Krisis überwinden half, in die
der Staat durch das Experiment der neuen Aera gerathen war.
Er verstand sein Ressort und beherrschte es, war der beste Redner