Parteiwesen und Richter. Austritt aus dem Staatsdienste. 15
Bürgschaft für die Gewissenhaftigkeit der Entscheidung liegt, so-
sort verloren, wenn diese durch anonyme Majoritäten erfolgt 0.
Der Geschäftsgang in beiden Collegien, in Potsdam wie in
Aachen, war für meine Strebsamkeit nicht ermuthigend gewesen.
Ich fand die mir zugewiesene Beschäftigung kleinlich und lang-
weilig, und meine Arbeiten auf dem Gebiete der Mahlsteuer-
prozesse und der Beitragspflicht zum Bau des Dammes in Rotzis
bei Wusterhausen haben mir kein Heimweh nach meiner damaligen
Thätigkeit hinterlassen. Dem Ehrgeiz der Beamtenlaufbahn
entsagend, erfüllte ich gern den Wunsch meiner Eltern, in die
festgefahrne Bewirthschaftung unsrer pommerschen Güter einzu-
treten 2). Auf dem Lande dachte ich zu leben und zu sterben, nach-
dem ich Erfolge in der Landwirthschaft erreicht haben würde, viel-
leicht auch im Kriege, wenn es einen gäbe. Soweit mir auf dem
Lande Ehrgeiz verblieb, war es der des Landwehr-Lieutenants #5.
1) Vgl. dazu G. v. Wilmowski, Meine Erinnerungen an Bismarck
(Breslau, Ed. Trewendt, 1900) S. 181; er citirt als Aeußerung Bismarcks
aus dem Nov. 1868: „Ist etwas nicht richtig, so ist niemand da, der verant-
wortlich ist und der sich zur Verantwortlichkeit unzweifelhaft bekennen muß.
Man kann keinen fassen und wird von einer unsichtbaren Hand geohrfeigt.“
2) Vgl. Brief Bismarcks an Scharlach vom 9. Januar 1845 (Vom
jungen Bismarck. Weimar, Alex. Duncker Verlag, 1912. S. 87 f.): „Ich trat
darauf bei der Regirung in Potsdam in Dienst, suchte mich durch Spiel
und Trunk zu zerstreuen, machte unverhältnißmäßige Schulden, wurde
Militär, um meiner Dienstpflicht zu genügen, gerieth in üble Zwiste
mit meinem Chef und ergriff unter diesen Umständen mit Begierde und
mit der frohen Hoffnung, die ein Ausweg aus einer ruinirten Stellung
in neue Verhältnisse gewährt, das Anerbieten meines Vaters, seine
hiesigen Güter zu übernehmen, die groß, stark verschuldet und so ver-
wirthschaftet waren, daß sie fraßen, statt einzubringen.“
?) Bismarck übernahm die väterlichen Güter Kniephof, Külz und
Jarchelin zu Ostern 1839, wenn er auch noch — als beurlaubt — bis zum
October im Staatsdienst blieb; nach dem Tode seines Vaters (2. Nov. 1845)
verlegte er seinen Wohnsitz nach Schönhausen. Noch am 31. Januar 1851
schrieb er, nachdem er den Ministerposten in Anhalt-Bernburg abgelehnt
hatte, seiner Gattin, daß er nur etwa Landrath in Schönhausen, Kniep-
hof oder Reinfelb (Heimath der Frau v. Bismarck) werden wolle.