Randbemerkungen Bismarck's zur Eingabe des Kronprinzen. 373
kannt genug und wird von jedem Hausvater im Lande, welcher
Partei er auch angehören mag, offen gemißbilligt als ein Los-
sagen von der väterlichen Autorität, deren Verkennung das
Gefühl und das Herkommen verletzt. Sr. K. H. könnte nicht
schwerer in der öffentlichen Meinung geschadet werden als durch
Publication dieses mémoires. Schon predigen Geistliche im
Lande über 2. B. Samuelis 15 V. 3 u. 4.
Seite 2. Die Situation Sr. K. H. ist allerdings eine
„durchaus falsche“ weil es nicht der Beruf des Thronerben ist,
die Fahne der Opposition gegen den König und den Vater
aufzupflanzen, die „Pflicht“, aus derselben herauszukommen,
kann aber nur auf dem Wege der Rückkehr zu einer normalen
Stellung erfüllt werden.
Seite 3. Der Conflict der Pflichten liegt nicht vor, denn
die erstre Pflicht ist eine selbstgemachte; die Sorge für Preußens
Zukunft liegt dem Könige ob, nicht dem Kronprinzen, und
ob „Fehler“ gemacht sind und auf welcher Seite, wird die Zu-
kunft lehren. Wo die „Einsicht“ Sr. Majestät mit der des
Kronprinzen in Widerspruch tritt, ist die erstre stets die ent-
scheidende, also kein Conflict vorhanden. S. K. H. erkennt selbst
an, daß in unfrer Verfassung „kein Platz für Opposition des
Thronfolgers“ ist.
Seite 4. Die Opposition innerhalb des conseil's schließt
den Gehorsam gegen Se. Mojestät nicht aus, sobald eine Sache
entschieden ist. Minister opponiren auch, wenn sie abweichende
Ansicht haben, gehorchen aber ½) doch der Entscheidung des
Königs, obschon ihnen selbst die Ausführung des von ihnen
Bekämpften obliegt.
Seite 4. Wenn S. K. H. weiß, daß die Minister nach dem
Willen des Königs handeln, so kann S. K. H. Sich auch dar-
X) Hier ist am Rande von der Hand des Königs der Zusatz: wenn
es nicht gegen ihr Gewissen läuft.