388 Siebzehntes Kapitel: Der Frankfurter Fürstentag.
bemerkte ich, daß auf der andern Seite der Schlucht, auf dem
Schillerplatze ), König Wilhelm allein auf einer Bank saß. Als
die Zeit herangekommen war, mich zu dem Diner bei dem
Könige anzuziehn, ging ich in meine Wohnung und fand dort
ein Brieschen Sr. Majestät vor, des Inhalts, daß er mich auf
dem Schillerplatze 1) erwarten wolle, um wegen der Begegnung
mit dem Kaiser mit mir zu sprechen2). Ich beeilte mich nach
Möglichkeit, aber ehe ich das Königliche Quartier erreichte,
hatte bereits eine Unterredung der beiden hohen Herrn statt-
gesundens). Wenn ich mich weniger lange bei der Naturbetrach-
tung aufgehalten und den König früher gesehn hätte, so wäre
der erste Eindruck, den die Eröffnungen des Kaisers auf den
König gemacht haben, vielleicht ein andrer gewesen.
Er fühlte zunächst nicht die Unterschätzung, welche in dieser
Ueberrumplung lag, in dieser Einladung, man könnte sagen
Ladung, à courte Schéance ). Der östreichische Vorschlag gefiel
ihm vielleicht wegen des darin liegenden Elements fürstlicher
Solidarität in dem Kampfe gegen den parlamentarischen Libe-
ralismus, durch den er selbst damals in Berlin bedrängt wurde.
Auch die Königin Elisabeth, die wir auf der Reise von Gastein
nach Baden in Wildbad trafen, drang in mich, nach Frankfurt
zu gehn. Ich erwiderte: „Wenn der König sich nicht anders
entschließt, so werde ich hingehn und dort seine Geschäfte machen,
aber nicht als Minister nach Berlin zurückkehren.“ Die Königin
schien über diese Aussicht beunruhigt und hörte auf, meine Auf-
fassung beim Könige zu bekämpfen.
1) Lies an beiden Stellen: auf der Schiller höhe.
2) Vgl. Anhang zu den Gedanken und Erinnerungen I1 74.
2:) Ueber ihren Inhalt vgl. die Aufzeichnung König Wilhelm's vom
3. August 1863, gedruckt im Staatsarchiv von Aegidi und Klauhold
Bd. IX 2; ferner bei Berner, Kaiser Wilhelm's des Großen Briefe 2c.
II 65 ff. Nr. 331, Brandenburg, Briefe Kaiser Wilhelms I. (Leipzig,
Inselverlag 1911) S. 173 ff. Nr. 101.
!) Auf kurze Sicht (Verfallzeit).