Widerstreben des Königs gegen die Politik seines Ministers. 389
Wenn ich meinen Widerstand gegen das Streben des Königs
nach Frankfurt aufgegeben und ihn seinem Wunsche gemäß dort-
hin begleitet hätte, um in dem Fürstencongreß die preußisch-
östreichische Rivalität in eine gemeinsame Bekämpfung der Revo-
lution und des Constitutionalismus zu verwandeln, so wäre
Preußen äußerlich geblieben, was es vorher war, hätte freilich
unter dem östreichischen Präsidium durch bundestägliche Beschlüsse
die Möglichkeit gehabt, seine Verfassung in analoger Weise revi-
diren zu lassen, wie das mit der hanöverschen, der hessischen
und der mecklenburgischen und in Lippe, Hamburg, Luxem-
burg geschehn war, damit aber den nationaldeutschen Weg ge-
schlossen.
Es wurde mir nicht leicht, den König zum Fernbleiben von
Frankfurt zu bestimmen. Ich bemühte mich darum auf der
Fahrt von Wildbad nach Baden, wo wir im offnen kleinen
Wagen, wegen der Leute vor uns auf dem Bock, die deutsche
Frage französisch verhandelten. Ich glaubte den Herrn über-
zeugt zu haben, als wir in Baden anlangten. Dort aber fanden
wir den König von Sachsen, der im Auftrage aller Fürsten die
Einladung nach Frankfurt erneuerte (19. August) 1). Diesem
Schachzug zu widerstehn, wurde meinem Herrn nicht leicht. Er
wiederholte mehrmals die Erwägung: „30 regirende Herrn
und ein König als Courier!“ und er liebte und verehrte den
König von Sachsen, der unter den Fürsten für diese Mission
auch persönlich der Berufenste war. Erst um Mitternacht ge-
lang es mir, die Unterschrift des Königs zu erhalten für die
Absage an den König von Sachsen?). Als ich den Herrn verließ,
1) Siehe das Collectiv-Schreiben bei Ernst II., Aus meinem Leben
III 313, Staatsarchiv von Aegidi und Klauhold VIII 82 Anlage zu
Nr. 1759.
2) Gedruckt im Briefwechsel zwischen König Johann von Sachsen
und den Königen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. von Preußen
S. 419 Nr. 282; das dem Schreiben beigegebene Antwortschreiben an
den Kaiser ist gedruckt in der Politischen Correspondenz Kaiser Wil-