Culminations= und Wendepunkt des dualistischen Versuchs. 395
wären und daß sie, wenn jetzt in der äußersten Entfernung
von dem östreichischen Interessengebiete gelegen, doch ein ander-
mal sehr viel näher liegen könnten und daß es für Oestreich
nützlich sein werde, jetzt Preußen gegenüber freigebig und ge-
fällig zu sein.“
Es schien mir, daß die von mir aufgestellte Perspective auf
den Kaiser Franz Joseph nicht ohne Eindruck blieb. Er sprach
zwar von der Schwierigkeit, der öffentlichen Meinung in Oest-
reich gegenüber ganz ohne Aequivalent aus der gegenwärtigen
Situation hinauszugehn, wenn Preußen einen so großen Gewinn
wie Schleswig-Holstein mache, schloß aber mit der Frage, ob
wir wirklich fest entschlossen wären, diesen Besitz zu fordern und
einzuverleiben. Ich hatte den Eindruck, daß er doch nicht für
unmöglich hielte, uns seine Ansprüche auf das von Dänemark
abgetretne Land zu cediren, wenn ihm die Aussicht auf ein
ferneres festes Zusammenhalten mit Preußen und auf Unter-
stützung analoger Wünsche Oestreichs durch Preußen gesichert
würde. Er stellte zur weiteren Discussion zunächst die Frage,
ob Preußen wirklich fest entschlossen sei, die Herzogthümer zu
preußischen Provinzen zu machen, oder ob wir mit gewissen
Rechten in ihnen, wie sie in den sog. Februarbedingungen ½)
später sormulirt worden sind, zufrieden sein würden. Der König
schwieg, und ich brach dieses Schweigen, indem ich dem Kaiser
antwortete: „Es ist mir sehr erwünscht, daß Eure Mojestät
mir die Frage in Gegenwart meines allergnädigsten Herrn
vorlegen; ich hoffe bei dieser Gelegenheit seine Ansicht zu er-
fahren.“ Ich hatte nämlich bis dahin keine unumwundne Er-
klärung des Königs weder schriftlich noch mündlich über Sr.
Mojestät definitive Willensmeinung bezüglich der Herzog-
thümer erhalten.
1) Siehe dieselben in Bismarck's Politischen Reden Bd. II (2. Aufl.)
S. 42K ff.