412 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
diesen beiden so eng befreundeten Nachbarn optiren zu sollen;
denn ich zweifle nicht daran, im Sinne Eurer Majestät und
aller deutscher Fürsten zu handeln, wenn ich in unsrer Politik
den Grundsatz vertrete, daß Deutschland nur zur Wahrung
zweifelloser deutscher Interessen sich an einem Kriege freiwillig
betheiligen sollte. Die türkische Frage, so lange sie sich inner-
halb der türkischen Grenzen entwickelt, berührt meines unter-
thänigsten Dafürhaltens keine kriegswürdigen deutschen Inter-
essen; auch ein Kampf zwischen Rußland und einer der West-
mächte oder beiden kann sich entwickeln, ohne Deutschland in
Mitleidenschaft zu ziehn. Sehr viel schwieriger aber liegt der
Fall, wenn Oestreich und Rußland uneinig werden sollten,
und hoffe ich, daß die Begegnung beider Monarchen in Reich-
stadt:) gute Früchte zur Befestigung ihrer Freundschaft tragen
werde. Der Kaiser Alexander will glücklicherweise den Frieden
und erkennt an, daß Oestreichs Lage der südslavischen Be-
wegung gegenüber schwieriger und zwingender ist als die Ruß-
lands. Für Letztres sind es auswärtige, für Oestreich aber
innre und vitale Interessen, die auf dem Spiele stehn.
v. Bismarck.
Mit lebhafter Freude habe ich Ihre Nachricht von dem offen-
bar günstigen Verlaufe der Cur erhalten. Ich danke Ihnen
vielmals für diese frohe Botschaft und hoffe von Herzen, daß
auch die lästigen Folgen des anstrengenden Gebrauchs der Kis-
singer Quellen sich recht bald verlieren werden.
Durch Ihre so klare Darlegung der politischen Situation
haben Sie, mein lieber Fürst, mich ganz besonders verbunden.
Der weitsehende, staatsmännische Blick, welcher sich in Ihren
Anschauungen über die Stellung Deutschlands zu den gegen-
wärtigen und etwa noch drohenden Verwicklungen im Auslande
kund gibt, hat meine volle Bewunderung, und ich brauche wohl
6) 8. Juli 1876.