Aus dem Briefwechsel Bismarck's mit Ludwig von Baiern. 415
nur in hohen Damenkreisen vorübergehend Anklang finden;
die Verleumder werden nicht müde, aber die Gläubigen scheinen
es endlich zu werden. Unter diesen Umständen ist die äußre
Politik des Reiches im Stande, ihre Aufmerksamkeit unge-
schwächt dem Vulkan im Westen zuzuwenden, der Deutschland
seit 300 Jahren so oft mit Ausbrüchen überschüttet hat. Ich
traue den Versicherungen nicht, die wir von dort erhalten, kann
aber doch dem Reiche keinen andern Rath geben, als wohl-
gerüstet und Gewehr bei Fuß den etwaigen neuen Anfall ab-
zuwarten
v. Bismarck.
..Es drängt mich bei diesem Anlasse, Ihnen, mein lieber
Fürst, zu sagen, mit welcher lebhaften Besorgniß mich vor einiger
Zeit die Nachricht von der Möglichkeit Ihres Rücktrittes er-
füllte. Je größer meine persönliche Verehrung für Sie und
mein Vertrauen zu der föderativen Grundlage Ihres staats-
männischen Wirkens ist, desto schmerzlicher hätte ich ein solches
Ereigniß für mich und mein Land empfunden.
Zu meiner wahren Freude ist es nicht eingetreten, und ich
wünsche von ganzem Herzen, daß Ihre Weisheit und That-
kraft dem Reiche und dem reichstreuen Bayern noch recht lange
erhalten bleiben möge! Haben Sie, mein lieber Fürst, meinen
innigsten Dank auch für die Mittheilung erfreulicher Friedens-
aussichten und für die Zusicherung, daß mein für Berlin be-
stimmter Gesandter v. Rudhart bei Ihnen wohlwollende und
vertrauensvolle Aufnahme finden werde. In Ihrer Stellung
zu der immer wieder auftauchenden Frage verantwortlicher
Reichsministerien erscheinen Sie als der starke Hort der Rechte
der Bundesfürsten, und mit wahrhafter Beruhigung nehme ich
von Ihnen, mein lieber Fürst, das Wort entgegen, daß das
Heil der deutschen Zukunft nicht in der Centralisirung zu suchen
ist, welche mit der Schaffung solcher Ministerien eintreten würde.
Seien Sie überzeugt, daß ich es an nichts fehlen lassen werde,