Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

426 Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. 
  
Mein lieber Fürst von Bismarck! 
Ich habe mit großem Interesse von der Vorlage, welche 
dem preußischen Landtage bezüglich der Kirchengesetze zugehen 
soll ), Kenntniß genommen und danke Ihnen auf das Wärmste 
für die Übersendung derselben, welche Sie mit einer so licht- 
vollen Darlegung der Verhältnisse begleiteten. Zu meinem 
aufrichtigsten Schmerze haben Sie, mein lieber Fürst, hievon 
die Mittheilung einer beabsichtigten Zurückziehung von den Ge- 
schäften gereiht. Sie kennen das Maß der aufrichtigen Ver- 
ehrung und des unbedingten Vertrauens, welches ich für Sie 
unauslöschlich im Herzen trage, um zu erfassen, wie schwer ich 
die Verwirklichung Ihres Vorhabens empfinden müßte. Wenn 
auch die Gestaltung der Umstände im Reichstage nicht immer 
die erfreulichste ist, so wird doch der Bundesrath Ihnen, mein 
lieber Fürst, auf der föderativen Grundlage der Reichsver- 
fassung in unveränderter Weise stets freudig zur Seite stehen. 
Meine Regierung, welche in keinem Augenblicke von jener 
Grundlage weicht, war immer von dem sie stützenden Bewußt- 
sein durchdrungen, daß sie sich hierbei einig mit dem Manne 
weiß, dessen erhabenen staatsmännischen Blicke und Wirken 
Deutschland seine neu erstandene Größe auf einem Wege dankt, 
welcher die notwendige Selbständigkeit und Stärke der Einzel- 
staaten nicht aufgehoben oder gelähmt, sondern in bundesstaat- 
licher Vereinigung erhöht hat. Die Forterhaltung gleicher 
Grundsätze sichert dem gemeinsamen Vaterlande Zeiten des 
Friedens und der Macht. Je sehnlicher ich dies wünsche und 
je mehr ich entschlossen bin, hierfür meinerseits immerdar ein- 
zutreten, um so weniger kann ich mich von der Hoffnung trennen, 
daß ich und mit mir ganz Deutschland noch lange Jahre die 
Geschäfte unter Ihrer niemals zu ersetzenden Führung finden 
werde. 
1) Politische Reden XII 37 ff.
	        
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