Die Oefterreiisch-Angarische Menarchie. (April 14.-20.) 157
tausendfeier Schulfeste an und erklärt in einem Hirtenbriefe, die autonome
evangelische Kirche habe seit der Reformation in Ungarn vollen Schutz ge-
funden, wofür fie dem Staate Dank schulde. Einen ähnlichen Hirtenbrief
erläßt der griechisch-katholische Bischof von Szamos Ujvar, und das ru—
mänische Mitglied des ungarischen Magnatenhauses, Josef Gall, fordert
im Verein mit einigen rumänischen Abgeordneten die Rumänen zur Be-
teiligung an der Feier auf.
Es machen sich jedoch auch mit Nachdruck entgegengesetzte Stimmen
geltend: so erklären mehrere Führer der Rumänen, Kroaten und Slovaken
die magyarische Jubelfeier für eine Beleidigung der Mehrheit der Bevöl-
kerung Ungarns und ähnliche Proteste werden in Pest, Wien, Bukarest,
Belgrad, Prag laut. In Wien kommt es zu heftigen antimagyarischen
Demonstrationen an der Universität und im Abgeordnetenhause, wo Lueger
jeden Deutschen, der mit Ungarn gemeinsame Sache mache, für einen Volks-
verräter erklärt (29. Mai). Eine Wiener Antisemitenversammlung beglück-
wünscht die nichtmagyarischen Nationalitäten zu ihren Protesten (10. Juni)z;
in Neusatz weigern sich die Serben zu beleuchten, in Agram protestiert
eine Versammlung der kroatischen Rechtspartei gegen die Feier, in Esseg
werden ungarische Wappen und Inschriften der Aemter beschmutzt oder mit
roter Farbe übertüncht.
14. April. (Wien.) Das deutsche Kaiserpaar besucht den
Kaiser Franz Josef.
18. April. (Wien.) Bürgermeisterwahl. Dr. Lueger wird
mit 96 Stimmen gegen 42 zum Bürgermeister gewählt (vgl. 1895
S. 229).
20./28. April. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Urteile der
Parteien über die Wahlreform.
In der Generaldebatte über die Wahlreform sprechen die Jung-
tschechen, sowie Pernerstorfer von der äußersten Linken für Einführung des
allgemeinen Wahlrechts. Palffy hebt namens der Konservativen des böhmi-
schen Großgrundbesitzes das Festhalten an dem staatsrechtlichen Standpunkte
der Beschickung des Reichsrates durch die Landtage hervor, während Ma-
deyski den autonomistischen Standpunkt der Polen betont. Beide Redner
erklären sich trotzdem für die Vorlage, damit die Wahlreform nicht aufge-
schoben würde. Scheicher (Antisemit) ist für Auflösung des Hauses. Rust
erklärt, er könne die Vorlage vom Standpunkte des Deutschtums und des
Fortschritts aus nicht als empfehlenswert bezeichnen, die deutsche Linke
werde die Vorlage jedoch annehmen, weil dieselbe eine Erweiterung des
Wahlrechts enthalte, was von der Partei stets angestrebt worden sei. —
Ein Antrag, das allgemeine Wahlrecht zur Grundlage für die Spezial-
debatte zu nehmen, wird in namentlicher Abstimmung mit 174 gegen 61
Stimmen abgelehnt und mit noch größerer Majorität beschlossen, in die
Einzelberatung des Regierungsentwurfs einzutreten. Dagegen stimmen
nur einige Jungtschechen, einige Antisemiten und die Abgeordneten Krona-
wetter und Pernekstorfer (23. April). Am 28. wird ein jungtschechischer
Antrag auf Einführung direkter Wahlen mit 139 gegen 121 Stimmen
abgelehnt.
20. April. (Pest.) Abgeordnetenhaus. Finanzgesetz.
Der Finanzausschuß des Abgeordnetenhauses genehmigt das Finanz-