48 Zweites Kapitel: Das Jahr 1848.
diese nicht besaß und bei der Verschiedenheit der Charaktere
nicht besitzen konnte.
Der Umzug durch die Straßen in den Farben der Burschen-
schaft am 21. März war am wenigsten geeignet, das wieder ein-
zubringen, was im Innern und nach Außen verloren war. Die
Situation wurde dadurch dergestalt umgedreht, daß der König nun
an der Spitze nicht mehr seiner Truppen, sondern der Barrikaden-
kämpfer, derselben unlenkbaren Massen, stand, vorderen Bedrohung
die Fürsten einige Tage zuvor bei ihm Schutz gesucht hatten. Der
Gedanke, eine Verlegung des geplanten Fürstencongresses von
Dresden nach Potsdam als einziges Ergebniß der Märztage zu
behandeln, verlor durch den würdelosen Umzug jede Haltbarkeit.
Die Weichlichkeit, mit der Friedrich Wilhelm IV. unter dem
Drucke unberufner, vielleicht verrätherischer Rathgeber, gedrängt
durch weibliche Thränen, das blutige Ergebniß in Berlin, nach-
dem es siegreich durchgeführt war, dadurch abschließen wollte,
daß er seinen Truppen befahl, auf den gewonnenen Sieg zu
verzichten, hat für die weitre Entwicklung unfrer Politik zunächst
den Schaden einer versäumten Gelegenheit gebracht. Ob der
Fortschritt ein dauernder gewesen sein würde, wenn der König
den Sieg seiner Truppen festgehalten und ausgenutzt hätte,
ist eine andre Frage. Der König würde dann allerdings nicht
in der gebrochnen Stimmung gewesen sein, in der ich ihn
während des Zweiten Vereinigten Landtags gefunden habe,
sondern in dem durch den Sieg gestärkten Schwunge der Bered-
samkeit, die er bei Gelegenheit der Huldigung 1840, in Köln
1842) und sonst entwickelt hatte. Ich wage keine Vermuthung
darüber, welche Einwirkung auf die Haltung des Königs, laufj))
die Romantik mittelalterlicher Reichserinnrungen Oestreich und
den Fürsten gegenüber und sauf]:) das vorher und später so
1) Huldigung in Königsberg 10. September 1840, Dombaufest in Köln
4. September 1842.
:) Ergänzt vom Herausgeber.