König u. Nationalversammlung. Die Camarilla: Rauch u. Gerlach. 53
Ende zu machen, Zweifel gehabt haben sollte, vermuthe viel-
mehr, daß Hintergedanken rege waren, ob nicht die Berliner
Versammlung und der Friede mit ihr und ihrem Rechtsboden
unter irgend welchen Constellationen direct oder indirect nütz-
lich werden könne, sei es in Combinationen mit dem Frank-
furter Parlamente oder gegen dasselbe, sei es, um nach andern
Seiten hin in der deutschen Frage einen Druck auszuüben,
und ob der formale Bruch mit der preußischen Volksvertretung
die deutschen Aussichten compromittiren könne. Den Umzug
in den deutschen Farben setze ich allerdings nicht auf Rechnung
solcher Neigungen des Königs; er war damals körperlich und
geistig so angegriffen, daß er Zumuthungen, die ihm mit Ent-
schiedenheit gemacht wurden, wenig Widerstand entgegensetzte.
Bei meinem Verkehr in Sanssouci lernte ich die Personen
kennen, die das Vertrauen des Königs auch in politischen
Dingen besaßen, und traf zuweilen in dem Cabinet mit ihnen
zusammen. Es waren das besonders die Generale Leopold
von Gerlach und von Rauch, später Niebuhr, der Cabinetsrath.
Rauch war praktischer, Gerlach in der Entschließung über
actuelle Vorkommnisse mehr durch geistreiche Gesammtauffassung
angekränkelt, eine edle Natur von hohem Schwung, doch frei
von dem Fanatismus seines Bruders, des Präsidenten Ludwig
von Gerlach, im gewöhnlichen Leben bescheiden und hülflos
wie ein Kind, in der Politik tapfer und hochfliegend, aber durch
körperliches Phlegma gehemmt. Ich erinnre mich, daß ich in
Gegenwart beider Brüder, des Präsidenten und des Generals,
veranlaßt wurde, mich über den ihnen gemachten Vorwurf des
Unpraktischen zu erklären und das in folgender Weise that:
„Wenn wir drei hier aus dem Fenster einen Unfall auf der
Straße geschehn sehn, so wird der Herr Präsident daran eine
geistreiche Betrachtung über unsern Mangel an Glauben und
die Unvollkommenheit unfrer Einrichtungen knüpfen; der Ge-
neral wird genau das Richtige angeben, was unten geschehn