Full text: Gedanken und Erinnerungen. Neue Ausgabe. Erster Band. (1)

Drittes Kapitel. 
Erfurt, Olmütz, Dresden. 
1. 
Der loatente deutsche Gedanke Friedrich Wilbelm's IV. trägt 
mehr als seine Schwäche die Schuld an den Mißerfolgen unfrer 
Politik nach 18418. Der König hoffte, das Wünschenswerthe 
würde kommen, ohne daß er seine legitimistischen Traditionen 
zu verletzen brauchte. Wenn Preußen und der König gar- 
keinen Wunsch nach irgend etwas gehabt hätten, was sie vor 
1848 nicht besaßen, sei es auch nur nach einer historischen 
mention honorable, wie es die Reden von 1840 und 1842 ver- 
muthen ließen; wenn der König keine Ziele und Neigungen 
gehabt hätte, für deren Verfolgung eine gewisse Popularität 
nützlich war: was hätte ihn dann abgehalten, nachdem das 
Ministerium Brandenburg festen Fuß gefaßt, den revolutio- 
nären Errungenschaften im Innern Preußens in ähnlicher Weise 
entgegenzutreten wie dem badischen Aufstande und dem Wider- 
stande einzelner preußischer Provinzialstädte? Der Verlauf 
dieser Erhebungen hatte auch denen, die es nicht wußten, ge- 
zeigt, daß die militärischen Kräfte zuverlässig waren; in Baden 
hatte sogar die Landwehr aus Districten, die für unsicher galten, 
ihre Schuldigkeit nach Kräften gethan. Die Möglichkeit einer 
militärischen Reaction, die Möglichkeit, wenn man einmal eine 
Verfassung octroyirte, das zu Grunde gelegte belgische Formu- 
lar schärfer, als geschehn ist, im monarchischen Sinne zu amen- 
diren, lag ohne Zweifel vor. Die Neigung, diese Möglichkeit 
auszunutzen, muß im Gemüthe des Königs zurückgetreten sein
	        
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