70 Drittes Kapitel: Erfurt, Olmütz, Dresden.
mens, ergriffen wurde, wenn ich an einem kalten stürmischen
Tage den ersten Schritt in das Wasser thun wollte. Seine
Bedenken, ob die Dinge reif seien, wurden unter anderm ge—
nährt durch die geschichtlichen Erörterungen, die er mit Rado-
witz pflog, nicht nur über das sächsische und hanöversche Ge-
sandschaftsrecht, sondern auch über die Vertheilung der Sitze
im „Reichstage“ zwischen Regirenden und Mediatisirten, zwi-
schen Landesherrn und Personalisten, recipirten und nicht reci-
pirten Grafen unter den verschiednen Kategorien der Reichs-
tagsmasse, wobei die Specialität des Freien Standesherrn von
Grote-Schauen zu untersuchen war.
2.
Den militärischen Vorgängen stand ich damals weniger nahe
als später, glaube aber nicht zu irren, wenn ich annehme, daß
für die Truppenbewegungen zur Unterdrückung der Aufstände
in der Pfalz und in Baden mehr Cadres und Stämme ver-
wendet wurden, als rathsam und als erforderlich gewesen wäre,
wenn man feldmäßig mobile Truppen hätte marschiren lassen.
Thatsache ist, daß mir der Kriegsminister zur Zeit der Olmützer
Begegnung ½/ als einen der zwingenden Gründe für den Frieden
oder doch Ausschub des Krieges die Unmöglichkeit angab, den
großen Theil der Armee rechtzeitig oder überhaupt zu mobili-
siren, dessen Stämme sich in Baden oder sonst außerhalb
ihrer Stand= und Mobilmachungs-Bezirke unvollzählig befan-
den. Wenn wir im Frühjahr 1849 die Möglichkeit einer kriege-
rischen Lösung im Auge behalten und unfre Mobilmachungs-
fähigkeit durch Verwendung keiner andern als kriegsbereiter
Truppen intact erhalten hätten, so wäre die militärische Kraft,
über welche Friedrich Wilhelm IV. verfügte, ausreichend ge-
wesen, nicht nur jede aufständische Bewegung in und außer
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1) v. Stockhausen.