Fünftes Kapitel.
Der Kronrath vom 24. Januar.
Wann der Gedanke, mich zu beseitigen, in dem Kaiser ent-
standen, wann zum Entschlusse gereift ist, kann ich nicht wissen.
Der Gedanke, daß er den Ruhm seiner deremstigen Regirung
mit mir nicht theilen werde, war ihm schon als Prinzen nahe
gebracht und eingängig geworden. Es war natürlich, daß an
den künftigen Thronerben, solange derselbe in der zugänglichen
Stellung eines jungen Offiziers war, sich Streber nestelten, die
man ihrer Zeit mit einem Berolimsmus als „Militär= und
Civilschuster“ bezeichnete. Je näher die Wahrscheinlichkeit rückte,
daß der Prinz bald nach seines Großvaters Tode zur Regirung
kommen werde, desto lebhafter wurden die Bestrebungen, den
zukünftigen Kaiser für persönliche und Parteizwecke zu gewinnen.
Gegen mich ist schon vorher die von Graf Waldemee angebrachte,
wohlberechnete Phrase dabei ausgenutzt worden: wenn Friedrich
der Große einen solchen Kanzler gehabt hätte, so wäre er nicht
der Große geworden.
Die Verstimmung, welche durch die Stöcker'sche Sache in
den brieflichen Verkehr des Prinzen Wilhelm mit mir gekommen
war (Brief desselben vom 14. Januar 1888) verzog sich wieder,
wenigstens äußerlich. Auf dem Diner, welches ich am 1. April
1888 gab, brachte der inzwischen Thronfolger gewordne Prinz
einen Toast auf mich aus, in welchem er nach dem von der
„Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ als authentisch gegebenen
Texte sagte:
„Um mich eines militärischen Bildes zu bedienen, so sehe
ich unsere jetzige Lage an wie ein Regiment, das zum Sturm