Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

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Bürgermeister, in den übrigen Provinzen durch 
den Magistrat, nach Anhörung der Stadtver- 
ordnetenversammlung. Jedem Bezirke wird 
ein B. und ein Stellvertreter für den Fall 
der Verhinderung vorgesetzt, die von den Stadt- 
verordneten aus den stimmfähigen Bürgern 
des Bezirks auf sechs Jahre gewählt und vom 
Magistrat, in der Rheinprovinz vom Bürger- 
meister, bestätigt werden. Sie sind Organe 
des Magistrats, in der RMbeinprovinz des 
Bürgermeisters, und verpflichtet, seinen An- 
ordnungen Folge zu leisten, ihn namentlich 
in den örtlichen Geschäften des Bezirks zu 
unterstützen. In Schleswig-Holstein erfolgt 
die Wahl aus drei vom MWagistrate vorge- 
schlagenen wahlberechtigten Bürgern des Be- 
zirs derart, daß die relative Mehrheit der 
Stimmen, bei einer ungeachtet zweimaliger Ab- 
stimmung stattfindenden Stimmengleichheit 
aber der Magistrat entscheidet. In Hannover 
bestehen insofern Besonderheiten, als die Wahl 
auf vier bis sechs Jahre und in gleicher Weise 
wie die der Stadtverordneten erfolgt, die B. 
hier auch gleichzeitig Stellvertreter der Bürger- 
vorsteher (s. Stadtverordnete) sind. — Das 
Amt der B. ist ein Ehrenamt, das nur aus 
denselben Gründen wie die Wahl zum Stadt- 
verordneten abgelehnt werden kann. Uber die 
Gültigheit der Wahlen beschließt gemäß 836. 
8 14 der Bezirksausschuß, in Hannover jedoch 
nach der dortigen StO. (§ 42) der Magistrat 
mit den Bürgervorstehern, gegen deren Be- 
schluß die Beschwerde an den Bezirksausschuß 
zulässig ist. S. auch Dorfvorsteher. 
Bibelgesellschaften. Die Entstehung der 
ersten B. steht im Zusammenhang. mit der 
großen Bewegung in der ev. Kirche am 
Ende des 17. Jahrh., welche durch die Mamen 
Franchke und Spener bezeichnet wird und 
gegenüber der neulutherischen Scholastik eine 
Berinnerlichung des religiösen Lebens erstrebte. 
Als Mittel sollte insbesondere die möglichste 
Verbreitung der Bibel unter dem Volke dienen, 
um jedem einzelnen die Möglichkeit der eigenen 
Erbauung zu geben. Bereits 1702 hatte FranckZ# 
in der Druckerei des Hallischen Waisenhauses 
eine Bibel drucken lassen. In größerem Um- 
fange wurde sodann die Sache bald darauf in 
Verbindung mit dieser Anstalt durch den Frei- 
herrn Raban v. Canstein in Berlin aufge- 
nommen, der mit Franckhe und Spener in 
Verbindung stand. Zunächst das Aeue Testa- 
ment, dann der Psalter wurden in Angriff 
genommen, die Legte sorgfältig revidiert. Auf- 
lage folgte auf Auflage. Bis 1860 waren 
mehr als 5 Mill. Exemplare abgesetzt. 1804 
wurde die britische und ausländische B. be- 
gründet, deren Gebiet die ganze Welt umfaßt 
und die bis 1860 schon mehr als 37 Mill. 
Exemplare abgesetzt hatte. 1814 trat ihr die 
preuß. Hauptbibelgesellschaft zur Seite, welche 
sich ebenfalls die unentgeltliche oder doch mög- 
lichst billige Verbreitung der Bibel zur Auf- 
gabe machte und bis 1861 allein mehr als 
(2 Mill. Bibeln und über 70000 Aeue Testa- 
mente, mit Einschluß ihrer Tochtergesellschaften 
aber 1765 415 Bibeln und 731 647 Aeue Testa- 
mente verteilte (s. Bertram, Geschichte der Can- 
steinschen B., 1863 S. 46 ff.). Den größten 
  
Bibelgesellschaften — Bibliotheken. 
Ausschwung aber nahm die britische und aus- 
ländische B., welche bei ihrem hundertjährigen 
Jubiläum 1904 auf einen Gesamtabsatz von 
180 Mill. Exemplaren in allen Sprachen der 
Welt (in 400 Sprachformen) zurüchblicken 
konnte und mit einem Jahresetat von 
4720000 M. wirtschaftet. Im Jahre 1901/02 
verteilte sie 939700 Bibeln, 1364000 Aeue 
Testamente, 2763000 Teile der Bibel. Sie 
hatte im Ausland 745 Kolporteure. Jede 
protestantische Mission wird von ihr versorgt 
(s. Monatsschrift für Innere Aission von 
D. Schäfer, Gütersloh 1904 S. 119). 
Bibliothek (Königliche) s. Bibliothe- 
ken UH. 
Bibliotheben. I. Allgemeine Ent- 
wickelung. Die B. entstehen mit den 
höheren Unterrichtsanstalten, den Gymnasien 
und Universitäten, daneben wird eine zentrale 
B. in Preußen unter dem Großen Kurfürsten 
1661 errichtet. Von allgemeiner Bedeutung 
und nach einheitlichen Grundsätzen verwaltet 
sind heute die a#gl. B. in Berlin und die Uni- 
versitätsbibliothekken in Berlin und in den 
Provinzen, die als staatliche Institute be- 
handelt werden. Staatsinstitut ist auch die 
alte B. in Erfurt. Ferner zahlt der Staat 
einen Zuschuß für die Unterhaltung der 
Landesbibliothek in Wiesbaden, sowie an die 
betreffenden Provinzen für die öffentliche B. 
im-Archivgebäude in Hannover und zur Unter- 
haltung der 1898 begründeten ((. U Bl. 1898, 
768) Kaiser-Wilhelm-Bibliothek in Posen. 
II. Organisation der Verwaltung. 
1. Kgl. B. in Berlin. Statut vom 
16. Nov. 1885 (U ZBBl. 1886, 190). An der 
Spitze steht ein Generaldirektor, welchem vier 
Abteilungsdirektoren und 43 Bibliothekare, 
sowie die erforderlichen Sehretariats= und Hilfs- 
kräfte beigegeben sind. Die B. hat die Auf- 
gabe, in möglichster Vollständigheit die 
deutsche und in angemessener Auswahl auch 
die ausländische Literatur zu sammeln, die- 
selbe geordnet aufzubewahren und der all- 
gemeinen Benutzung zugänglich zu machen 
(Statut § 1). Die Interessen der B. werden 
wahrgenommen durch ein ZRuratorium, be- 
stehend aus Verwaltungsbeamten und Ge- 
lehrten. Das Kuratorium stellt insbesondere 
die Bibliotheksordnung, die Benutzungsord- 
nung und die Dienstanweisungen für die 
Beamten fest, bestätigt die jährlichen An- 
schaffungspläne, Vereinbarungen mit anderen 
B., Veranstaltung literarischer Unterneh- 
mungen uff. (Statut §§ 4—8). Die wissen- 
schaftliche, technische und administrative Lei- 
tung der B. hat ein Generaldirektor, 
der in disziplinarer Beziehung die Zu- 
ständigkeiten des Vorstandes einer Provinzial= 
behörde besitzt (Statut § 12). Die B. zerfällt 
in zwei Abteilungen, eine Abteilung für 
Druchschriften, eine für Handschriften (Statut 
§ 2). ach dem Statut vom 16. No#v. 1885 
follte jede der beiden Abteilungen einen Di- 
rektor erhalten. Durch den Staatshaushalt 
von 1899 wurde infolge Vermehrung der Ce- 
schäfte der Druchschriftenabteilung die Stelle 
eines dritten Direbtors, durch den Staats- 
haushalt von 1901 infolge Vermehrung der
	        
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