Full text: Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Erster Band (A-K). (1)

Akademische Grade. 
Die Prüfung zerfällt in einen theoretischen und 
einen praktisch-klinischen Teil. Die theoretische 
Prüfung hat sich auf folgende Fächer zu er— 
strecken: 1. Anatomie, 2. Physiologie, 3. patho- 
logische Anatomie mit Einschluß der allge- 
meinen Pathologie, 4. Hygiene. In der Woche 
vorher findet die praktisch-klinische Prüfung 
in der inneren Medizin, in der Chirurgie und 
in der Geburtshilfe und Gynäkologie am 
Krankenbette statt. Die Prüfung umfaßt die 
Stellung einer oder, nach Befinden des Exa- 
minators, zweier Diagnosen, an welche sich 
ein weiteres Examen, wie es bei der ärzt- 
lichen Prüfung vorzunehmen ist, anschließt. 
VIII. Sowohl bei dem Kolloquium wie bei 
dem Rigorosum erfolgt die Feststellung des 
Ergebnisses durch mündliche oder schriftliche 
Abstimmung. Jedes Mitglied der Prüfungs- 
kommission stimmt mit „bestanden“ oder 
„nicht bestanden“" ab. Im Kolloquium ge- 
nügt, um die Gesamtzensur „bestanden“ (rite) 
zu erhalten, die einfache Majorität, im Rigo- 
rosum muß der Kandidat zur Erlangung der- 
selben Zensur mindestens drei Viertel der Ge- 
samtstimmenzahl und darunter die Stimmen 
der praktisch-klinischen Examinatoren in den 
zu genannten Fächern für sich haben. 
Eine höhere Zensur, als welche „gut“ (cum 
laude) und „sehr gut“ (magna cum laude) zu- 
gelassen sind, darf nur erteilt werden, wenn 
die Dissertation als besonders tüchtige Leistung 
anzuerkennen ist; die Kommission entscheidet 
darüber mit einfacher Majorität. Ausnahms- 
weise kann auch, aber nur durch einstimmigen 
und von der Fakultät genehmigten Beschluß 
der Kommission, die Zensur „ausgezeichnet" 
(umma cum laucde) erteilt werden. IX. Hat 
der Kandidat die mündliche Prüfung nicht 
bestanden, so muß er sie ganz wiederholen. 
Das kann frühestens nach drei Monaten 
(Kolloquium) oder nach sechs Monaten Wigo- 
rosum) geschehen. X. Der Promotionsakt darf 
erst nach der durch den Druck erfolgten Ver- 
öffentlichung der Dissertation und nach be- 
standener mündlicher Prüfung ersolgen. XII. Auf 
lusländer, welche die ärztliche Approbation 
für das Deutsche Reich erlangt haben, finden 
bezüglich der Promotion dieselben Vorschriften 
Wnwendung, wie auf die in gleicher Lage be- 
findlichen Inländer. XIII. Ausländer, welche 
die ärztliche Approbation für das Deutsche 
#eich nicht besitzen, haben sich bei der Fakul- 
tät behufs ihrer Zulassung zur Promotion 
arüber auszuweisen, 1. daß ihnen eine Vor- 
bildung zuteil geworden ist, welche in dem 
Staate, dessen Angehörige sie sind, für die 
rverbung des medizinischen Doktorgrades 
und die Ablegung der ärztlichen Prüfung er- 
fordert wird; fehlt es in dieser Beziehung in 
ihrem Heimatstaate an bestimmten Festsetzungen, 
d haben sie durch vorgelegte Reifezeugnisse 
(nötigenfalls unter Beifügung inländischer Er- 
gänzungszeugnisse) mindestens eine Vorbildung 
nachzuweisen, welche den Anforderungen für 
as Zeugnis der Reife an deutschen Real- 
gymnasien entspricht; 2. daß sie nach Erlan- 
gung dieser Vorbildung a) so viel Semester, 
die in Deutschland für die Zulassung zur 
rätlichen Prüfung vorgeschrieben sind, an 
  
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einer gut eingerichteten medizinischen Fakultät 
ein geordnetes medizinisches Studium, ähnlich 
wie es in Deutschland üblich ist, geführt und 
b) mindestens eines dieser Semester an der- 
jenigen deutschen Universität, bei welcher sie 
promovieren wollen, studiert haben. Von 
letzterem Erfordernis kann, wenn der Kan- 
didat der Fakultät genauer bekannt ist, mit 
Genehmigung der Aufsichtsbehörde ausnahms- 
weise abgesehen werden. Im übrigen und ab- 
gesehen von Nr. V finden auf diese Ausländer 
bezüglich ihrer Promotion diejenigen Vor- 
schriften Anwendung, welche für die in gleicher 
Lage befindlichen Inländer gelten. XIV. An 
Stelle der zur Genehmigung ungedruckt vor- 
zulegenden Dissertation kann nach Ermessen 
der Fakultät auch eine bereits durch den 
Druck veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit 
des Kandidaten treten. XV. Die Ehrenpro- 
motion, promotio honoris causa, wird durch 
vorstehende Bestimmungen nicht berührt. Stren- 
gere Bestimmungen der Fakultäten bleiben 
unberührt. 
VI. Die philosophische Fakultät. Die 
einzelnen Fakultätsstatuten enthalten sehr ein- 
gehende Vorschriften über die Promotionen. 
Auch über diese ist eine Berständigung unter den 
deutschen Bundesregierungen erfolgt, und es ist 
eine entsprechende Abänderung der Promotions- 
ordnungen veranlaßt, soweit die bisherigen 
Bestimmungen nicht noch strengere Anforde- 
rungen enthielten (ME. vom 30. Juli 1902 — 
U.3 Bl. 529). Die Bereinbarung lautet: 
I. Der Doktorgrad darf nur auf Grund einer 
durch den Druck veröffentlichten Dissertation und 
einer mündlichen Prüfung verliehen werden. 
Eine Promotio in absentia findet unter keinen 
Umständen statt. Die Ehrenpromotion, pro- 
motio honoris causa, bleibt unberührt. II. Von 
der Dissertation ist zu verlangen, daß sie 
wissenschaftlich beachtenswert ist und die Fähig- 
keit dartut, selbständig wissenschaftlich zu 
arbeiten. III. Die Zulassung zur Promotion 
ist an den Nachweis der Reife einer deutschen 
neunstufigen höheren Lehranstalt und eines 
dreijährigen Universitätsstudiums zu knüpfen. 
Die Zulässigkeit von Ausnahmen von dem 
Erfordernisse der Reife ist durch die Pro- 
motionsordnungen zu regeln und möglichst 
zu beschränken. Dabei soll als Voraussetzung 
gelten, daß entweder 1. die Gleichwertigkeit 
der Vorbildung mit derjenigen auf einer deut- 
schen neunstufigen höheren Lehranstalt durch 
ausländische Zeugnisse gesichert erscheint, oder 
2. der Mangel dieser gleichwertigen Vorbil- 
dung ersetzt wird durch die Einreichung einer 
als hervorragende Leistung anzusehenden 
Dissertation. Die Zulassung darf in dem 
letzteren Falle nur auf einstimmigen Beschluß 
der Fakultät oder Fakultätssektion und unter 
Gutheißung des vorgeordneten Mlinisteriums 
erfolgen. Die Promotionsordnungen können 
darüber bestimmen, ob und inwieweit bei 
Kandidaten der naturwissenschaftlich-mathe- 
matischen Fächer die Studienzeit an technischen 
oder anderen deutschen Hochschulen abgelegt 
werden darf. IV. Die Gleichmäßigkeit der 
Zensierung ist anzustreben und tunlichst in der 
Weise zu regeln, daß nur folgende Prädikate
	        
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