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§ 1626). Eine Vormundschaft über Volljährige
findet, abgesehen von der vorläufigen Vormund-
schaft (Bo. §§ 1906—1908), nur statt, wenn
sie wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Ver-
schwendung oder Trunksucht entmündigt (BG.
§ 6) und deshalb nach §§ 104, 114 BGB. ge-
schäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit be-
schränkt sind (BöB. §§ 1896—1908). Eine
Pflegschaft über Volljährige ist möglich, wenn
sie bevormundet sind, nach § 1909 und, wenn
sie infolge körperlicher Gebrechen, insbesondere
weil sie taub, blind oder stumm sind, ihre An-
gelegenheiten nicht zu besorgen vermögen, nach
§* 1910 BG B. Wegen Bcendigung der Für-
sorgeerziehung durch Volljährigkeitserklärung
s. Fürsorgeerziehung V.
Bollmachten. I. Gemeinden und Kommunal-
verbände können als juristische Personen nur
durch ihre gesetzlichen Organe Rechtshandlungen
vornehmen. Diese Vertretung ist eine not-
wendige. Sie liegt in den Gemeinden dem
Gemeindevorstande ob, in den Kreiskommunal-
verbänden dem Kreisausschuß, in den Provinzial-
verbänden dem Landesdirektor. Verschieden
von dieser notwendigen Vertretung durch Or-
gane ist dic freiwillige, die auf einem Aufstrage
des zu einer Handlung gesetzlich befugten Or-
gans beruht, in seinem Namen und mit rechts-
verbindlicher Wirkung für den Vertretenen
diese Handlung vorzunehmen. Eine solche Ver-
tretungsbefugnis kann sich unmittelbar aus
einem Auftrage ergeben, eine bestimmte Amts-
handlung vorzunehmen, sei es, daß diese durch
das Gesetz oder durch einen Beschluß des gesetz-
lichen Organs der Gemcinde bzw. des Kom-
munalverbands einer gewissen Amtsstelle über-
tragen ist. Sic kann aber auch durch eine Bevoll--
mächtigung bestimmter Personen zur Vornahme
bestimmter Rechtshandlungen namens des gesetz-
lichen Organs begründet werden. In diesem
Falle bedürfen die Vertreter einer V. ihres
Auftraggebers. Die Form der V. zur Vor-
nahme eines Rechtsgeschäfts für eine
Gemeinde oder einen weiteren Kommunal-
verband richtet sich nach den in den Gemcinde-
verfassungsgesetzen für die Gemeindeurkunden
gegebenen Vorschriften (s. Urkunden der
Gemeinden und weiteren Kom-
munalverbände).
II. Zur Vertretung in Prozessen vor
den Gerichten sind die gesetzlichen Vertreter
der Gemeinden und Kommunalverbände, wo
diese Vertretung nach gesetzlicher Vorschrift
Einzelbeamten obliegt (wie den Bürgermeistern
und ihren Stellvertretern in Orten mit Bürger-
meistereiverfassung, den Landesdirektoren in
der Provinzialverwaltung; vgl. O###. 14, 1),
ohne V. befugt.
oder der Kommunalverband von einem Kolle-
gium vertreten wird (wie von dem Magistrat,
dem Krl.), bedarf auch dessen Vorsitzender,
wie jedes andere Mitglied und jeder Dritte,
zur Prozeßvertretung einer V. in derselben
Form, wie zur Vertretung in Rechtsangelegen-
heiten. Eine Besonderheit besteht in Westfalen
darin, daß Prozeßvollmachten des Amtes von
dem Amtmanne und dessen Beigeordneten oder
statt des letzteren von einem Mitgliede der
Amtsversammlung vollzogen werden müssen
1), übersteigt.
Wo dagegen die Gemeinde
Vollmachten
(LG#O. § 76). In der Prov. Hannover war nach
LGO. 8§50 in den Landgemeinden in nicht eiligen
Fällen behufs Führung von Rechtsangelegen-
heiten ein Syndikat zu errichten. Die Ent-
scheidung der Frage, ob ein Rechtsstreit ge-
führt werden soll, und die Wahl der Syndiken,
welche die Gemeinden zu vertreten haben,
erfolgte unter Leitung des Landrats. Die BV.
war von dem Gemeindevorsteher oder den Bei-
geordneten zu unterschreiben und von dem
Landrat zu beglaubigen. Diese Vorschriften
sind durch G. vom 17. März 1911 (G. 25)
aufgehoben worden. Im Verwal-
tungsstreitverfahren nach dem LV G.
bedünhen Gemeindevorsteher, die als solche legi-
timiert sind, zur Vertretung ihrer Gemeinden
im schriftlichen Verfahren und in den Ter-
minen keiner besonderen V. (LVG. 8§ 73).
Sie sind daher auch, ohne von den Gemeinden
besonders bevollmächtigt zu sein, zur Ausstel-
lung einer V. für einen anderen Prozeßver-
treter befugt (OVG. vom 6. Dez. 1884 —
Pr VBl. 6, 191) und können ohne oder gegen
den Beschluß des für die Angelegenheit zustän-
digen Gemeindeausschusses (der Gemeindever=
tretung) eine Klage erheben oder ein Rechts-
mittel einlegen (OVG. 55, 492). Die dienstliche
Verpflichtung des Gemeindevorstehers, die Zu-
stimmung des kollegialischen Gemeindevorstan-
des und der Gemeindevertretung einzuholen,
wird durch den § 73 nicht berührt. In den
Gutsbezirken wird der Gutsbesitzer als der
Träger der gutsherrlichen Rechte und Pflichten
regelmäßig durch den Gutsvorsteher nicht ver-
treten (z. B. OV G. 50, 48). Eines Syndikats
(s. oben) bedarf es zur Prozeßlegitimation
eines Gemeindevorstehers nicht (O# G. 30, 272).
III. Über die V. Stimmberechtigter bei Ge-
meindewahlen in Landgemeinden fs. Land-
gemeinden (Stimmrecht, Wahl-
recht); in Stadtgemeinden s. Stadtver-
ordnetenwahlen.
IV. V., Ermächtigungen und Aufträge zur
Vornahme von Geschäften rechtlicher
Natur für den Vollmachtgeber sind nach TSt. 73
LSt. stempel pflichtig. Der Stempel
stuft sich nach dem Werte des Gegenstan-
des ab und beträgt bis 500 K 50 8-Z, bis
1000 KK 1 K, bis 3000 .K 1,50 .K, bis 6000 .#K
3 .4, bis 10 000 A 5 K, bis 15 000 K 7,50 .#
und bei einem höheren Betrage 10 K. Der
Stempel erhöht sich auf 20 K bei General-
vollmachten, d. h. bei solchen, die zur Vor-
nahme aller oder gewisser Gattungen von Ge-
schäften für den Vollmachtgeber ermächtigen,
wenn der Wert des Gegenstandes 50 000 A
Steht der Bevollmächtigte in cinem
Dienstverhältnisse zum Vollmachtgeber, so sint
höchstens 1,.50 K Stempel erforderlich. Iß
der Wert des Gegenstandes der V. nicht schätz-
bar, so beträgt der Stempel 1,50 K. Bei Prozeß-
vollmachten ermäßigen sich die Steuersätze von
3; 5; 7,50 und 10 .X auf 2, 3, 4 und 5.. Sub-
stitutionen aus einer Prozeßvollmacht sind
stempelfrei, sofern über die ursprüngliche V.
eine vorschriftsmäßig versteuerte Urkunde vor-
handen und dies entweder auf der Substitutions-
vollmacht vermerkt ist oder die ursprüngliche V.
sich bei den Gerichtsakten befindet. Zu V.,