894
aller Prinzen und Prinzessinnen des Hauses
und soweit andere Personen zu Vormündern er-
nannt sind, der entscheidende Obervormund.
Für die Mitglieder standesherrlicher Familien
erfolgt die Bestellung des Vormundes, soweit
eine solche stattfindet, auf Antrag des JM.
durch den König. Obervormundschaftsbehörde
ist das Oberlandcsgericht, in dessen Bezirke die
Standesherrschaft gelegen ist. Beschwerde-
gericht ist das JM. (8 19 unter a der Instr.
vom 30. Mai 1820 — GS. 81 —, hannoversche
Vormundschaftsordnung für Bentheim von 1823
§ 14, kurhessisches Edikt vom 29. Mai 1833 § 18,
großherzoglich hessisches G. vom 18. Juli 1858
Art. 13 unter a, V. vom 12. Nov. 1855 — G.
688 — 8 1; AGGVG. vom 24. April 1878 —
GS. 230 — 9§27; Pr FKG. Art. 136). Vgl. die
Artikel König und Reichsunmittelbare.
VI. Vgl. auch das Haager Abkommen zur
Regelung der Vormundschaft über Minder-
jährige vom 12. Juni 1902 (RBl. 1904 S. 240,
307; 1907, 84) und dazu die Bek. vom 21. Juni
1906 (JM Bl. 225) sowie die Allg. Vf. vom
12. Okt. 1906 (IM l. 301) und die vom Reichs-
Justizamte zusammengestellte Übersicht der Vor-
schriften, betr. die Vormundschaft über Minder-
jährige, nach den Gesetzgebungen derjenigen
Staaten, die dem Haager Abkommen vom
12. Juni 1902 beigetreten sind, im Zentralblatt
für freiwillige Gerichtsbarkeit 7, 357; s. auch
Haager Konvention.
Außer den Kommentaren und Lehrbüchern des BGB.
besonders noch Schultzen stein -Köhne, Deutsches
Vormundschaftsrecht, 1901; v. Blume, Das Vormund-
schaftsrecht des Bem.; Fuchs, Vormundschaftsrecht;
Hallbauer und Thieme-Garmann, Das deut-
sche Vormundschaftsrecht, 1909: Glässing, Die öffent-
lichrechtliche Natur des deutschen Vormundschaftsrechts, im
ArchCfsKh. 16, 161; Schanz, Die vorläufige Vor-
mundschaft: Haidlen, Das Familien= und Vormund-=
schaftsrecht: Lion, Die Mitvormundschaft; Schlecht,
Das Prinzip der Selbständigkeit des Vormundes, in Grün-ä
huts 8. 28, 749; Spahn, Verwandtschaft und Bor-
mundschaft nach dem BGB.; v. Blume, Das sog.
Prinzip der Selbständigkeit des Vormundes, in Iherings J.
49, 291; Josef, Die Selbständigkeit des Bormundes
und das Aussichtsrecht des Vormundschaftsgerichts, im
Arch Ziv Prax. 97, 108; v. Knebel.= Döberitz, Die
Berufsvormundschaft über uneheliche Kinder, im Pr BBl.
32, 209; Zentralblatt für Vormundschaftswesen, Jugend-
gerichte und Fürsorgeerziehung.
Bormundschaftsgericht. I. Die vormund-
schaftliche Tätigkeit des Staates (s. Vor-
mund und Vormundschaft I ist reichs-
gesetzlich den Gerichten übertragen. Sie bildet
einen Teil der freiwilligen Gerichtsbarkeit (s. d.).
V. sind die Amtsgerichte (FG#G. 8§ 35). Gemäß
des Vorbehalts zugunsten landesgesetzlicher Vor-
schriften in den Art. 147 Abs. 1 und 218 EG BGB.
ist es jedoch in Preußen für den Landesherrn
und die Mitglieder der regierenden Familie und
des hohen Adele bei der bisherigen, durch Landes-
gesetzgebung und Hausverfassung bewirkten Re-
gelung geblieben (s. Vormund und Vor-
mundschaft V). Das V. kann teilweise durch
einen Familienrat ersetzt werden (s. d.).
II. Zu den Ausgaben des Vormund-
schaftsgerichts gehören bei den Vormund-
schaften und entsprechend dann auch bei den
Pflegschaften (BGB. § 1915) außer der An-
ordnung der Vormundschaft, der Bestellung und
Entlassung des Vormundes, der Einsetzung eines
Familienrats, wenn die Voraussctzungen für
einen solchen vorliegen, der Benachrichtigung
Vormundschaftsgericht
des Waisenrats usw. namentlich noch: die zum
Zwecke der Erziehung notwendige Unterbringung
des Mündels (§ 1838), unter Umständen die un-
mittelbare Vornahme von Maßregeln im Inter-
esse des Mündels (§ 1846), die Aufsicht über die
gesamte Tätigkeit des Vormundes und des
Gegenvormundes (§ 1837) mit dem Recht und
der Pflicht, jederzeit Auskunft zu verlangen
(§ 1839), gegen Pflichtwidrigkeiten durch Ge-
bote und Verbote einzuschreiten (§ 1837 Abs. 1),
zur Einreichung eines Vermögensverzeichnisses,
zu wiederkehrender Rechnungslegung oder wenig-
stens Einreichung einer Bestandsübersicht an-
zuhalten und die Rechnung oder die Vermögens-
übersicht zu prüfen (88 1802, 1840, 1843, 1854),
sowie unter Umständen die Hinterlegung von
Wertpapieren und Kostbarkeiten anzuordnen
(s 1818) und Sicherheit vom Vormunde zu
fordern (§ 1844), die Genehmigung einzelner
Handlungen des Vormundes (8§8 1809, 1814
bis 1816, 1821—1823), die Ersetzung der er-
forderlichen Genehmigung des Gegenvormun-
des (§8 1810, 1812 Abs. 2) und des Vormun-
des (§§ 113 Abs. 3, 1304 Abs. 2, 1337 Abs. 1),
die Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit
unter Mitvormündern (§5 1797 Abs. 1, 1798)
und die Vermittelung der nach Beendigung der
Vormundschaft überhaupt oder des Amtes des
Vormundes stattfindenden Auseinandersetzung
zwischen dem bisherigen Mündel oder dessen
Rechtsnachfolger oder neuem Vertreter und dem
bisherigen Vormund oder dessen Erben (§ 1892).
Wegen der örtlichen Zuständigkeit des V. kom-
men die 88 4—7, 36, 46 FG. in Betracht.
Über Anzeigen anderer Behörden an das V.
zwecks der Tätigkeit des letzteren besonders
88 48, 50 FG., §§ 627 Abs. 3, 630, 657, 660,
674, 683 BZPO., § 1999 BGB.
III. Außerhalb des Gebietes der
Vormundschaften und Pflegschaf-
ten sind den Vormundschaftsgerich-
ten noch verschiedene weitere Obliegenheiten
übertragen, z. B. die Volljährigkeitserklärung
(BGB. 8§ 3), ferner zahlreiche Entscheidungen
gegenüber Eheleuten und Eltern und Kindern,
sowie die Anordnung einer Fürsorgeerziehung
Minderjähriger nach dem G. vom 2. Juli 1900
(GS. 264) ls. Fürsorgeerziehungl.
IV. Die Geschäftsführung der B.
unterliegt nach ihrer formellen Seite (Geschäfts-
verzögerungen usw.) der gewöhnlichen Dienst-
aufficht. Materiell ist gegen ihre Anordnungen
in weitem Umfange die — regelmäßig die Voll-
iehung nicht aufschiebende — Beschwerde ohne
rist, in gewissen Fällen die sofortige, d. i. an
eine Frist von zwei Wochen gebundene Be-
schwerde und, wenn die darauf ergangene Ent-
scheidung auf einer Verletzung des Gesetzes be-
ruht, die weitere Beschwerde gegeben (FG#.
§& 19—30, 57—64). In beschränktem Umfange
hat dieses Recht der Beschwerde auch der Mündel
selbst (FGGG. 8§ 59).
V. Als Zwangsmittel zur Durchfüh-
rung seiner Anordnungen hat das V. diejenige
Zwangsgewalt, die das Gericht nach Landes-
gesetz in den Angelegenheiten der freiwilligen
Gerichtsbarkeit überhaupt hat (Pr FG. Art. 15
bis 17), und ferner das Recht zur Verhängung
von Ordnungsstrafen (§ 1837 Abs. 2) und zur