Full text: Das Deutsche Reich zur Zeit Bismarcks.

70 I. ö. Der Kuliurlampf im Jahre 1872. 
und Polen langsam zersetzend wirkt, in Itatien osfen das französische Banner auspflanzt und 
unter seinem Schutze das Land unter päpstliche oder vielmehr französische, durch den Papit ver- 
körperte Herrschaft zurückführen soll.“ 
Diese Rede war von tiefer Wirkung. Alle regierungstreuen Mitglieder des 
Herrenhaufes eilten zur Schlußabstimmung am 8. Mätz herbei, und hier ergab sich 
daher gleichfalls ein Mehr von 51 Stimmen für das Schulaufsichtsgesetz. Nur die 
Zwangspflicht der Geistlichen, an der Schulinspektion teilzunehmen, war vom Herren- 
haufe gestrichen worden, auch war den Gemeinden die Teilnahme an der Schulaussicht 
gewahrt. Abgcordnetenhaus und Regierung erteilten den Anderungen ihre Zustim- 
mung. So trat das wichtige Gesetz, welches dem Fürsien Bismarck Tanfende von 
Zustimmungserklärungen und-Telegrammen ausganz Deutschland einbrachte, in Kraft, 
und die Regierung verfuhr bei seiner Handhabung mit großer Mäßigung. Weitaus. 
die meisten Schulinspektoren ließ sie im Amte; von evangelischer wie von katholisch- 
bischöflicher Seite erging die Weisung an die Geistlichen, die Schulaussicht nicht frei- 
willig niederzulegen. Nur in den polnischen Landesteilen wurde diese Aussicht hinfort 
im nationalen Interesse durch Staatsbeamte geübt. 
Um so eutschiedener dagegen ging der neue Kultusminister Falk gegen die den 
Staatsgesetzen ungehorsamen katholischen Bischöfe vor. Zunächst gegen den 
Bischof in partibus von Agathopolis, den katholischen Feldpropst der Armee, Namsza- 
nowski. Dieser Prälat unterfagte schon im Januar 1872 dem Kölner Gamisonprediger 
die Abhaltung des Gottesdienstes in der zugleich von Altkatholiken benutzten Kölner 
Pantalconkirche auf Weisung des Papstes, trotz des entgegengesetzten Befehls seiner 
vorgesetzten Behörde, des Kriegsministeriums. Er wurde infolge dieses Ungehorsams 
am 28. Mai im Amte suspendiert, alle Militärgeistlichen, welche fermerhin seinen Be- 
fehlen folgten, erfuhren sofort dasselbe Schicksal, und der katholische Militärgottesdienst 
ward demnach bei allen durch die Schuld ihrer Geistlichen der kirchlichen Handlungen 
und Seelsorge beraubten Teilen der preußischen Armee eingestellt. 
Ebenso kräftig schritt Minister Falk gegen den staatsfeindlichen Bischof Krementz 
von Ermeland ein. Dieser hatte, wie wir sahen, die Unfehlbarkeitsleugner Wollmann 
und Michelis exkommuniziert. Nun verbot er auch allen Gläubigen, mit den Ge- 
bannten zu verkehren. Falk belehrte ihn am 11. März 1872, daß eine derartige 
Anordnung gegen das preußische Landrecht verstoße, und daß die Regierung „seine 
Anerkennung als Bischof von Ermeland als eine durch sein Verfahren hinsällig ge- 
wordene ansehen“ werde, „wenn es nicht gelingt, jenen Widerspruch zu heben“. Kre- 
mentz antwortete erst am 4. April höchst dreist: „die Beseitigung eines solchen etwa 
vorhandenen Widerspruches sei Aufgabe der obersten Staats= und Kirchenbehörden“. 
Er selbst erachte sich „nur darauf angewiesen, nach den kirchlichen Normen zu handeln“, 
und betrachte obendrein die vom Minister angerufenen Bestimmungen des prenßischen 
Landrechts „nach Erlaß der Verfassungsurkunde nicht mehr als rechtsbeständig“. Am 
21. Mäai richtete Falk hierauf seinc letzte Aussorderung an den Bischof, sich den Ge- 
setzen zu fügen, da „gleich allen anderen Korporationen auch die katholische Kirche 
den Staatsgesetzen unterworfen sei“, der Bischof dagegen „die Frage, ob den letzteren
	        
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