Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

394 IV. Abschnitt. Der Wasserverkehr. 
Vorzug, daß sie dem Fahrzeuge eine von der Windrichtung unab- 
hängige Bewegung sicherte. Dagegen konnte die menschliche Kraft als 
Zugkraft in der Seeschiffahrt nicht verwendet werden, und aus gleichen 
Erwägungen schaltet für die Seefahrt die tierische Kraft ganz aus, da 
sie nur als Zugkraft in Betracht kommt. 
Sehr früh schon trat daneben die Benutzung der Kraft des 
Windes auf, hat aber immer mehr Bedeutung für die Seefahrt, als für 
die Binnenschiffahrt gebabt. Daß nächst der See die großen Binnen- 
seen und die breiten Ströme mit der Windkraft gut befahren werden 
können, versteht sich von selbst. Auf elgeren Binnenwasserstraben läßt 
sich dagegen die Windkraft viel weniger verwerten. Schon im 3. Jahr- 
tausend v. Chr. hatten die Agypter Segel, und alle die Völker, die im 
Altertum und Mittelalter die See befuhren, benutzten gleichfalls Segel. 
Von den Phöniziern an bis in die Zeit der Kreuzzüge wurden Rabsegel 
ohne wesentliche Verschiebung der Form gebraucht. Die Schiffe waren 
meist einmustig, nur bei großen Fahrzeugen kamen auch wohl zwei 
Masten vor. Das oder die Steuerruder waren seitlich am Hinterteile 
angebracht. Das Lavieren verstand man nicht. Daher kamen die 
Segel immer in Verbindung mit Rudern vor, und bis Ende des 15. Jahr- 
hunderts waren auch die Seeschiffe Ruder- und Segelschiffe zugleich. 
Erst seit dem 13. Jabrhundert n. Chr. wurde durch den Ubergang zu 
dem am HBintersteven befindlichen Steuerruder eine Vermehrung der Zabl 
der Masten und Segel der Schiffe möglich, die eine bessere Ausnutzung 
der Windkraft ermöglichte. Die Benutzung der Ruder wurde dadurch 
und durch die allmähliche Steigerung der Kunst der Windnutzung und 
der Kenntnisse der Windströmungen entbehrlich. Seit dem Beginn des 
16. Jahrhunderts tritt für die Seefahrt die Fortbewegung durch Segel in 
die herrschende Stellung ein und hat im Laufe der Zeit mancherlei 
Verbesserungen erfahren. Die herrschende Stellung hat die Segelfahrt 
zur See im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgeben müssen. Sie ist aber 
nach wie vor ein wichtiger Teil der Seeschiffahrt, da sie zwar an 
Schnelligkeit und Pünktlichkeit, aber nicht an Billigkeit der Beförderung 
übertroffen wird. 
In der Binnenschiffahrt ist es zu einer so ausschlieblichen Herr- 
schaft der Segelfahrt nicht gekommen aus den schon angedeuteten 
Gründen. Auf Flüssen und Kanälen haben sich Ruder und Stangen 
und Schiffszug durch tierische und menschliche Kraft neben der Segel- 
fahrt erhalten. 
Gerade die Vorherrschaft der Segelschiffahrt zur See ließ deren 
Schwächen schärfer hervortreten. Je mehr sich die überseeischen Be- 
ziehungen entwickelten, desto mehr machte sich auch der Umstand als 
nachteilig fühlbar, daß die Segelschiffe in der Fahrzeit von den Wind- 
verhältmssen abhängig waren. Diese Unregelmäbßigkeit, die in
	        
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