Full text: Grundriß des Deutschen Staatsrechts.

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Die Wahl erfolgt nach den einzelnen Wahlkreisen, so daß 
auf jeden ein Abgeordneter entfällt. Die Wahlkreise sind gesetz- 
lich festgelegt und dürfen nie die Grenzen eines Staates über- 
schreiten. Nach der ursprünglichen Verteilung sollte jeder Wahl- 
kreis ungefähr 100000 Seelen umfassen. Der damaligen Be- 
völkerungszahl entsprechend ergaben sich 397 Wahlkreise und Ab- 
geordnete, wie das noch heute der Fall ist. Die inzwischen ein- 
getretene Vermehrung der Bevölkerung und ihre Verschiebung vom 
flachen Lande und den kleinen Städten in die Großstädte ist un- 
berücksichtigt geblieben, da eine neue Einteilung der Wahlkreise 
wesentlich nur den radikalen Parteien zustatten kommen würde. 
Die Wahlen sind allgemein, es wird niemand durch einen 
Zensus ausgeschlossen und durch ein Klassensystem mit einem ver- 
schiedenen Wahlrechte vor anderen ausgestattet. Eine gewisse innere 
Rechtfertigung findet das in der gleichen Verpflichtung gegen das 
Reich in Heeresdienst und indirekten Steuern. Wähler ist jeder 
Reichsangehörige nach zurückgelegtem 25. Lebensjahre in dem 
Bundesstaate seines Wohnsitzes. Hierbei finden nur die not- 
wendigsten Disqualifikationen statt für Bevormundete, im Konkurse 
Befindliche, Armenunterstützung Beziehende oder im letzten Jahr 
bezogen Habende, mit Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte Be- 
strafte. Aktive Militärpersonen haben zwar das Wahlrecht, dürfen 
es aber nicht ausüben, solange sie sich bei der Fahne befinden. 
Die Wahlen sind ferner direkt. Die Wähler wählen nicht 
erst Wahlmänner, sondern den Abgeordneten unmittelbar. 
Die Wahlen sind endlich geheim. Sie erfolgen durch Ab- 
gabe von Stimmzetteln, die neuerdings der Wähler in einem Ge- 
heimraume in einen Umschlag zu tun Gelegenheit erhält. 
Wählbar ist jeder, der das aktive Wahlrecht hat, also auch 
Militärpersonen, mindestens einjährige Reichsangehörigkeit voraus- 
gesetzt. 
Die Wahl erfolgt mit absoluter Mehrheit der Abstimmenden. 
Wird eine solche im ersten Wahlgange nicht erreicht, so muß eine 
Stichwahl stattfinden. 
Die Legislaturperiode betrug ursprünglich drei Jahre (RV. 
Art. 24). Seit dem Reichsgesetze vom 19. März 1888 ist sie auf
	        
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