8 111 Geschichtliche Entwicklung der Landgemeindeverfassungen ꝛc. 211
der Aufsicht staatlicher Behörden auszuüben. Die gutsherrliche
Verwaltung wird eingefügt in das System des absoluten Be-
amtenstaates, der Gutsherr handelt nur noch als Organ des
Staates, allerdings als ein Organ, welches nicht vom Staate
bestellt wird. Die gutsherrliche Gerichtsbarkeit, wohl zu unter-
scheiden von der niederen Gerichtsbarkeit des Schulzen, schwächt
sich ab zu einem bloßen Justizpatronate, indem der Gutsherr
genötigt wird, die Rechtsprechung durch einen von ihm zu be-
stellenden, aber der staatlichen Prüfung und Bestätigung unter-
liegenden Justitiar oder Gerichtshalter ausüben zu lassen.
Da die Macht der Gutsherrlichkeit bereits innerlich geschwächt
war, stand nunmehr der Umbildung der Landgemeinden zu
Kommunalverbänden nichts mehr im Wege. Die erste kommunale
Aufgabe, welche den Landgemeinden gestellt wurde, war die Unter-
haltung der Schulgebäude, wozu die Einführung der allgemeinen
Schulpflicht nötigte. In der Kur= und Neumark wurde für die
neuen Kommunalverbände 1738 sogleich ein Grundvermögen ge-
schaffen, indem die bisher im Gesamteigentume der Bauern stehen-
den und unter diese verteilten Gemeindegründe für die Gemeinde
als solche zur Unterhaltung der Schule enteignet wurden. Am
4. September 1738 erging das erste Kommunalsteuergesetz, die
Verordnnug über das Kollektenwesen, gleichmäßig für Stadt und
Land. Dieser unter Friedrich Wilhelm I. begründete Zustand der
ländlichen Gemeindeverfassung blieb im wesentlichen unberührt bis
zum Ende des 18. Jahrhunderts. Das Allgemeine Landrecht,
welches Teil II, Tit. 7 Bestimmungen über die wirtschaftlichen und
politischen Zustände des Bauernstandes trifft, stellt nur das seit
Anfang des Jahrhunderts geltende Recht dar. In der Schluß-
revision der Monita sagt daher Svarez mit Recht von diesen
Bestimmnugen, sie bildeten nur eine Abstraktion aus Begriffen
und der bisherigen Verfassungs).
Die Steinsche Reformgesetzgebung löste durch das Edikt vom
O. Oktober 1807 die persönliche Erbuntertänigkeit, in der die
ländliche Bevölkerung bisher zu den Gutsherren gestanden hatte.
Dagegen läßt sie im übrigen die wirtschaftliche Abhängigkeit des
bäuerlichen Besitzes vom Großgrundbesitze unberührt. Die Ver-
3) Vgl. v. Kampt, Jahrbücher Bd. 41, S. 149ff.
14*