664 Das Verwaltungsrecht. 8220
erwiesen sich nach dieser Auffassung als überflüssig, es waren
bloß die kirchlichen Organe nicht mehr als staatliche zu behandeln.
Der weitere Ausbau der kirchlichen Verfassung durch synodale
Einrichtungen war dadurch nicht ausgeschlossen. Bei dem Fest—
halten an dem landesherrlichen Kirchenregimente war aber nicht
das reine Presbyterialsystem, sondern nur die gemischte Ver—
fassung möglich.
In den westlichen Provinzen bestand eine solche schon auf
Grund der Kirchenordnung vom 5. März 18358). Für die öst-
lichen Provinzen hatte der Allerhöchste Erlaß vom 29. Juni 1850*)
die Begründung presbyterialer Vertretungen in den einzelnen
Gemeinden angebahnt. Während der Jahre 1860 bis 1862 schritt
man auf diesem Wege fort und ging auch schon zur Bildung von
Kreissynoden über, bis durch den Allerhöchsten Erlaß vom
5. Mai 186910) außerordentliche Provinzialsynoden zur Nach-
prüfung der bisherigen Verordnungen berufen wurden. Die Organi-
sation wurde dann zusammengefaßt und abgeschlossen durch zwei
vom Könige als Träger des landesherrlichen Kirchenregiments
erlassene Ordnungen, die Kirchengemeinde= und Synodalordnung
für die östlichen Provinzen vom 10. September 1873 und die
Generalsynodalordnung vom 20. Januar 1876. Erstere wurde
staatlich genehmigt durch Gesetz vom 25. Mai 1874, letztere durch
Gesetz vom 3. Juni 187611) welche gleichzeitig die Rechte des
Staates gegenüber der nunmehr selbständigen evangelischen Landes-
kirche gesetzlich regelten. Es ergibt sich daraus folgende Rechts-
stellung für die evangelische Landeskirche der alten Provinzen
zum Staate.
Die evangelische Landeskirche ist nicht mehr eine Staatsanstalt,
sondern ein vom Staate verschiedener Organismus, dem in den
Einzelgemeinden wie als Gesamtheit korporative Rechte und eine
innerhalb der gesetzlichen Schranken vom Staate unabhängige Ent-
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8) v. Kamphz, Ann. Bd. 18, S. 104, in neuer Fassung verösfentlicht
durch Kirchengesetz vom 6. Januar 1908 — K. GBl. 1908, S. 36, 41.
5) GS. 1850, S. 343.
10) GS. 1869, S. 794.
11) GS. 1874, S. 117; 1876, S. 125. Aenderung durch Kirchengeset
vom 10. Mai, Staatsgesetz vom 3. Juli 1893 — (0. 1893, S. 191 ff. —,
bzw. 6. Jannar 1905 — GS. 1905, S. 39 ff. —.