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tärischen Stellen. Die Rückwirkung dieses Streiks äußerte sich außer-
dem auf die Sozialdemokratie in der Veröffentlichung einer Resolution
am 19. April 19171, in der sie sofortige Beseitigung aller Ungleich-
heiten der Staatsbürgerrechte im Reich, in Staat und Gemeinde, Besei-
tigung jeder Art des bureaukratischen Regiments und seine Ersetzung
durch entscheidende Volksvertretung verlangte. Gleichzeitig nahm
der Parteivorstand der Mehrheitssozialdemokraten in einer Sitzung
am 19. April 1917 im Prinzip die Formel der Arbeiter= und
Soldatenräte an. Man sieht also, daß die Sozialdemokratie dies-
1 Die veröffentlichte Resolution hatte folgenden Wortlaut:
„Der Parteiausschuß und der Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands haben in gemeinsamer Sitzung mit den Vorständen der Fraktionen
des Reichstags und des Preußischen Abgeordnetenhauses, sowie der Landes-
kommission für Preußen am 19. April einstimmig folgenden Beschluß gefaßt:
Wir bekräftigen den unverbrüchlichen Entschluß der deutschen Arbeiterklasse,
das Deutsche Reich aus diesem Krieg als ein freies Staatswesen hervorgehen
zu lassen. Wir fordern die sofortige Beseitigung aller Ungleichheiten der Staats-=
bürgerrechte in Reich, Staat und Gemeinde, sowie die Beseitigung jeder Art
bureaukratischen Regiments und seine Ersetzung durch den entscheidenden Ein-
fluß der Volksvertretung.
Mit Entschiedenheit verwerfen wir die von den feindlichen Regierungen ver-
breitete Zumutung, daß die Fortführung des Krieges nötig sei, um Deutschland
zu freiheitlichen Staatseinrichtungen zu zwingen. Es ist Aufgabe des deutschen
Volkes allein, seine inneren Einrichtungen nach seinen Uberzeugungen zu ent-
wickeln.
Wir begrüßen mit leidenschaftlicher Anteilnahme den Sieg der russischen
Revolution und das durch ihn entfachte Wiederaufleben der internationalen
Friedensbestrebungen. Wir erklären unser Einverständnis mit dem Kongreß-
beschluß des russischen Arbeiter= und Soldatenrates, einen gemeinsamen Frieden
vorzubereiten, ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen auf der Grundlage
einer freien nationalen Entwicklung aller Völker. Wir betrachten es daher als
die wichtigste Pflicht der sozialdemokratischen Partei Deutschlands, wie der
Sozialisten aller anderen Länder, die Machtträume eines ehrgeizigen Chauvinis=
mus zu bekämpfen, die Regierungen zum klaren Verzicht auf jegliche Eroberungs-
politik zu drängen und so rasch wie möglich entscheidende Friedensverhandlungen
auf dieser Grundlage herbeizuführen.
Kein Volk darf durch den Friedensschluß in eine demütigende und unerträg-
liche Lage gedrängt werden, sondern jedem muß die Möglichkeit gegeben sein,
durch freiwilligen Beitritt zu einer überstaatlichen Organisation und Anerkennung
einer obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit den dauernden Bestand des künftigen
Weltfriedens sichern zu helfen.“"