Full text: Volksvergiftung 1914-1918.

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Inzwischen war unter der Hand die Wühlarbeit der linksradikalen 
Kreise so weit fortgeschritten, daß auch in Deutschland mit einem 
Gelingen des politischen Massenstreiks zu rechnen war. An den Vor- 
besprechungen zu diesem Streik, der diesmal von revolutionärer Seite 
selbst als ein politischer Streik angesprochen wurde, nahmen 
Richard Müller, Haase, Ströbel, Ledebour und Adolf Hoffmann 
teil. Man einigte sich nach hitziger Diskussion zu einem Aufruf, der 
von sämtlichen Abgeordneten unterschrieben wurde L. Am 
27. Januar fiel die Entscheidung, den Streik für Montag den 28. Ja- 
nuar zu proklamieren?. 
Kennzeichnend für den Fortschritt des revolutionären Vergiftungs= 
prozesses und der Umstellung der Mehrheitssozialdemokraten ist die 
Tatsache, daß sie nicht nur nichts gegen den Streik unternahmen, 
sondern sich auf Aufforderung der von ihnen bie jetzt so erbittert 
bekämpften Opposition bereit erklärten, in die Streikleitung 
ein zutreten. Die heute von der Sozialdemokratie beliebten Ein- 
wände, daß ihre Beteiligung an diesem Streik „vaterländischen Mo- 
tiven“ entsprungen sei, verfällt angesichts der historischen Entwick- 
lung der sozialdemokratischen Politik vom 4. August 1914 bis zum 
8. November 1918 der Lächerlichkeit der Weltgeschichte. 
Es ist richtig, daß die Sozialdemokratie, die neidlos der Opposition 
die gefährlichen Vorarbeiten für diesen Streik überlassen hatte, auch 
nachdem sie sich durch Entsendung von Ebert, Scheidemann und Braun 
in die Streikleitung festgelegt hatte, sich sowohl nach rechts wie nach 
links zu decken versuchte. Es war das eben jene Politik der „geschmei- 
digen Taktik“, die man auf dem Parteitag von ihr verlangt hatte. 
Kennzeichnend für die unaufrichtige Haltung der Sozialdemokraten 
ist nicht nur das Auftreten Eberts während der Versammlung im 
Treptower Park, sondern auch die Stellungnahme Legiens, über 
die Popp und Artelts folgendes sagen: 
„Als wir uns im Gewerkschaftshause konstituierten, stellte 
sich heraus, daß Legien im Restaurant des Gewerkschaftshauses 
anwesend war. Auf Verlangen einiger Genossen, die der mehr- 
1 Richard Müller, „Vom Kaiserreich zur Republik“, Band 1, S. 102. 
à Siehe Anhang 12. 
2 Popp und Artelt, „Ursprung und Entwicklung der Novemberrevolution 
1918“, S. 7.
	        
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