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Daß er nicht ein vernichtender Schlag wurde, war ganz gewiß
nicht die Schuld der Ebert und Scheidemann, die damals genau so
zur Proklamation der Revolution bereit waren wie neun Monate
später, sondern die Schuld der militärischen Stellen, die sich im
Januar noch der Bewegung gewachsen zeigten, während sie im No-
vember in unverständlicher Weise versagten.
Der Massenstreik selbst dauerte vom 28. Januar bis zum 3. Fe-
bruar 1918. Er erfaßte fast alle großen Städte Deutschlands, so
Berlin, München, Kiel, Bremen, Hamburg, Danzig, Barmen,
Breslau, Bielefeld, Halle, Jena, Kassel, Wilhelmshaven und an-
dere. Nach seiner Beendigung stellte sich heraus, daß er zunächst
offensichtlich ein schwerer Rückschlag für die revolutionären Kreise
war, da ihm unmittelbar drakonische Maßnahmen der Militär-
behörden folgten. Im Rahmen der ganzen geschichtlichen Entwick-
lung der Revolution aber bedeutet dieser Massenstreik die revolutionäre
Generalprobe, deren Verlauf zu großen Hoffnungen berechtigte.
Die Zwangseinziehung der Streikenden zum Heeresdienst war
ein schwerer politischer Fehler. Erstens, weil man damit das mo-
ralische Ansehen des Heeresdienstes untergrub. Zweitens, weil man
jetzt nicht mehr das erreichen konnte, was man bei rücksichtslosen
Maßnahmen zwei Jahre vorher hätte erreichen können. Die Aus-
bildung und die Organisation der revolutionären Kräfte war bereits
so weit fortgeschritten, daß für die entstandenen Lücken sofort Er-
satz da war. Richard Müller sagt darüber treffend 7:
„Der Kreis der revolutionären Obleute war politisch so gut
geschult, und auf organisatorischem Gebiet so reich an Erfah-
rungen, daß die Arbeit auch ohne Führung erfolgreich weiter-
ging.“
Am 9. Februar 1918 übernahm an Stelle des eingezogenen
Richard Müller Emil Barth die Führung der revolutionären Exe-
kutive; er wurde bei der Abstimmung mit 17 Stimmen gegen die
Stimme des späteren Kommunisten Maltzahns gewählt. Er hat unter
Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit die revolutionäre Bewegung mit
elementarer Kraft vorwärtsgetrieben und gehört, trotz aller späteren
Anfeindungen seiner Parteifreunde, zu den zielbewußtesten und
1 Richard Müller, „Vom Kaltserreich zur Republik“, Band I, S. 172.