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16. Oktober erklärte der Staatssekretär Scheidemann in einer Sitzung
des Kabinetts:
„Glaubt man wirklich, daß die Neigung im Volke noch groß
sei, einen Finger krumm zu machen, um den Kaiser zu halten?“
Am gleichen Tage forderten die „Volkswacht für Schlesien“ und
das „Saalfelder Volksblatt“ die Abdankung des Kaisers.
Zu dieser Zeit hielt der Abgeordnete Dittmann im Rheinland
eine Rede #, in der er sagte:
„Wir fordern heute genau wie früher die sozialistische Re-
publik. Und wenn Sie mich fragen, wer Präsident dieser Repu-
blik sein soll, so kann ich keinen besseren Mann vorschlagen, als
wie den Juchthäusler Karl Liebknecht.“
Die Regierung des Prinzen Max von Baden tat nichts, diesem
immer offeneren hochverräterischen Treiben entgegenzutreten, obgleich
sie, gestützt auf ihre erweiterten Verfassungsrechte, mehr wie jede
andere dazu verpflichtet war.
An 20. Oktober 1918 schrieb der „Vorwärts“:
„Deutschland soll — das ist unser fester Wille
als Sozialisten — seine Kriegsflagge für immer
streichen, ohne sie das letzte Mal siegreich heimge-
bracht zu haben.“
Das schrieb das führende Blatt einer Partei, deren Mitglieder
als Staatssekretäre in der Regierung saßen. Es gibt in der ganzen
Weltgeschichte kein zweites Beispiel ähnlicher Frivolität.
Am 21. Oktober 1918 brach in Wien die Revolution aus. Am
gleichen Tage wurde Liebknecht aus dem Zuchthaus entlassen, nach-
dem man in einer vorhergehenden Kabinettssitzung festgestellt hatte,
daß er ein „ganz harmloser Mann“ sei. Zu dieser Zeit fing die
„U.S.P.D.“ an, für ihre Anhänger Waffen aufzukaufen und ganz
offen schrieb am 29. Oktober 1918 die in Dortmund erscheinende
„Westfälische Allgemeine Volkszeitung“:
„Die militärische Auflösung war auch in Rußland das erste
Stadium der sozialen Revolution. Den gleichen Weg wird auch
1 „Der Ebertprozeß 1925“, S. 13.
Breithaupt, Volksvergiftung. 9