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Zu dieser Zeit erließ Paul Levi, der im Spartakusbund eine
führende Rolle spielte, jenes Flugblatt, in dem die Soldaten auf-
gefordert wurden, in Massen zu desertieren und in ihre Heimats-
orte zurückzukehren. Treffend kennzeichnen Laufenberg und Wolff-
heim, die der linksradikalen Richtung angehörten, aber aus
bestimmten Gründen gegen die Herausgabe jenes Flugblattes waren,
die Wirkung desselben mit den Worten:
„Trotzdem ließ er das Flugblatt in dem ausdrücklich und
einstimmig zurückgewiesenen Wortlaut in gewaltigen Mengen
herstellen und an der Front verbreiten, wo es wie Spreng-
pulver gewirkt hat.“
In entscheidenden Worten bekennen Laufenberg und Wolffheim
weiter:
„Die Verherrlichung der Deserteure als, Helden der Revolution“,
der Aufruf, das Heer zu verlassen im Namen der Revolution,
entschied über den Zusammenbruch der Frontt...
Es ist dies wohl das offenste Bekenntnis von revolutionärer
Seite über die Endwirkung des vierjährigen revolutionären Ver-
giftungsprozesses, und mit Erstaunen werden die Parteien der
Friedensresolution von 1917 und der ersten parlamentarischen Re-
gierung feststellen müssen, daß zwischen der Auffassung der
militärischen und revolutionären Kreise über die Ursache
der schmachvollen Niederlage Deutschlands vollkommene
Übereinstimmung herrscht.
Inzwischen war ein Teil der Schiffe der aufrührerischen Flotte
von Wilhelmshaven nach Kiel zurückgegangen, so daß sich in dem
dortigen Hafen zur Zeit 8 Linienschiffe, 3 Torpedobootflottillen mit
36 Fahrzeugen, einige Kleine Kreuzer, U-boote, Spezialfahrzeuge und
Handelsdampfer befanden, von denen die letzteren Mannschaften von
der flandrischen Küste zurückgebracht hatten. Schätzungsweise waren
fast 25.000 Mannschaften in Kiel versammelt.
Bereits am 1..November 1918 kam es im Gewerkschaftshaus in
Kiel zu einer Matrosenversammlung, die der ganzen Entwicklung den
letzten Anstoß gab. Man forderte die Freilassung und Straffreiheit
der Verhafteten und beschloß, am nächsten Tage wieder zusammen-
1 Siehe Anhang 14.