Full text: Volksvergiftung 1914-1918.

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zukommen. Der Versuch, diese Versammlung zu verhindern, der von 
der Marineleitung unternommen wurde, war von vornherein zum 
Scheitern verurteilt, da der ganzen Aktion jede einheitliche und ent- 
schlossene Führung von seiten der Regierung fehlte. Hier wie in den 
späteren Tagen trifft die ausschließliche Schuld für die er- 
bärmliche Verteidigung des Deutschen Kaiserreichs die 
erste parlamentarische Regierung des Prinzen Max von 
Baden. Sie war es, welche die Monarchie in ihren verfassungs- 
mäßigen Rechten beschränkt und dadurch ihre Autorität untergraben 
hatte. Mehr als jede andere Regierung trug sie daher die 
Verantwortung für Kaiser und Reich. Eine Verantwortung, 
der sie sich niemals bewußt gewesen ist, denn sonst hätte sie wenigstens 
den Versuch einer Verteidigung im Inneren gewagt. Sie kapitulierte 
aber vor den Deserteuren der Armee und dem Pöbel der Straße, und 
Prinz Max von Baden gab mit seinem berühmten Erlaß, daß von der 
Waffe kein Gebrauch gemacht werden dürfe, die letzte Gewalt des 
Staates preis. 
Der Versuch, heute die „Feigheit der Anhänger des alten Systems“ 
in den Vordergrund zu schieben, muß mit aller Entschiedenheit 
zurückgewiesen werden. Gewiß ist es mehr wie traurig, daß sich 
nicht ein einziger Mann fand, der für das Kaiserreich in die Bresche 
sprang, aber letzten Endes resultierte diese Passivität aus einem 
geradezu verbrecherischen Gehorsam gegenüber der parlamentarischen 
Regierung, die allerdings in der entscheidenden Stunde alle Grund- 
sätze des Parlamentarismus verleugnete und der Diktatur 
der Masse freie Bahn schuf. 
Am 4. November kam es in Kiel zur Verbrüderung der Arbeiter 
und Matrosen, und der inzwischen eingesetzte Soldatenrat arbeitete 
14 Punkte! aus, die in ultimativer Form dem Gouvernement vor- 
1 Die 14 Punkte lauteten: 
1. Freilassung sämtlicher Inhaftierten und politischen Gefangenen. 
2. Vollständige Rede= und Preßfreiheit. 
3. Aufhebung der Briefzensur. 
4. Sachgemäße Behandlung der Mannschaften durch Vorgesetzte. 
5. Straffreie Rückkehr sämtlicher Kameraden an Bord und in die Kasernen. 
6. Ausfahrt der Flotte hat unter allen Umständen zu unterbleiben. 
7. Jegliche Schutzmaßnahmen mit Blutvergießen haben zu unterbleiben. 
8. Zurückziehung sämtlicher nicht zur Garnison gehörenden Truppen.
	        
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