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steins 1. Gleichzeitig tagte in Berlin eine Reichskonferenz des Spartakus-
bundes und der Linksradikalen, die gemeinsam einen Aufruf an die
Arbeiter erließen?, während in München Kurt Eisner die Revolution
proklamierte. Gerade bei den Vorgängen in München zeigt sich
wieder die ganze Verlogenheit der Sozialdemokratie. Sie hatte
sich hier bereits vollkommen mit den Linksradikalen verbrüdert und
selbst einen Aufruf zur Versammlung auf der Theresienwiese heraus-
gegeben. Diese Versammlung war der äußere Anstoß zum Um-
sturz, und auf ihr sprachen neben den Linksradikalen Eisner, Simon
und Unterleitner die Mehrheitssozialdemokraten Auer, Gru-
ber, Horlacher, Kemmer, Schmidt, Schiefer und Werth-
mann. Sie gaben ihren Genossen in der Reichshauptstadt das
nachahmenswerte Vorbild. Unmittelbar darauf vollzog sich der Um-
sturz in Dresden und Leipzig, und in den wichtigsten Städten des
Reichs bildeten sich Arbeiter= und Soldatenräte, welche die Gewalt
an sich rissen.
Am 8. November 1918 fand abermals eine Versammlung der
revolutionären Vertrauensleute aller oppositionellen Richtungen statt.
Der Zufall wollte es, daß Emil Barth einen falschen Versammlungs-
ort erfuhr und daher die eigentliche Versammlung verpaßte. Er ergriff
nun seinerseits alle Maßnahmen, um am folgenden Tage loszu-
schlagen. Zu dieser Eile bestimmte ihn nicht zuletzt die Tatsache, daß
inzwischen der Oberleutnant Walz, der der generalstäblerische Mit-
arbeiter der Revolutionäre war, verhaftet worden war und man
stündlich mit Gegenmaßnahmen der Regierung rechnen mußte. Die
1 Die Kundgebung lautete:
„Die Revolution ist auf dem Marsche. Was sich gestern in Kiel ereignet
hat, wird in den nächsten Tagen weitere Kreise ziehen und den Anstoß zu einer
Bewegung geben, die durch ganz Deutschland gehen wird. Was die Arbeiter
und Soldaten wollen, ist nicht das Chaos, sondern die neue Ordnung, ist nicht
die Anarchie, sondern die soztale Republik. Laßt euch darum nicht zu Unbesonnen=
heiten fortreißen! Glaubt nicht wilden Gerüchten, stellt euch geschlossen hinter
den Arbeiter= und Soldatenrat, folgt seinen Anordnungen und Beschlüssen, ver-
meidet alles, was gegen unsere Bewegung und ihren idealen Schwung aus-
genutzt werden könnte.
Es lebe die Freiheit!
„ Hoch die soziale Republik!“
2 Stehe Anhang 15.