Full text: Volksvergiftung 1914-1918.

– 168 — 
.. . Zu der Zeit, als Herr Ebert zum Reichskanzler er- 
nannt wurde, hatte er sich aber schon selbst und mit ihm 
seine Partei unter der Hand mit dem Gedanken an eine 
Beteiligung an der revolutionären Erhebung vertraut ge- 
macht. Ste hatten Besprechungen darüber in ihren Partei- 
kreisen abgehalten. 
Am 8. November hatten sie zum Abend 8 Uhr die Vertrauensleute ihrer 
Partei zusammengerufen, sie kamen aber zu keinem Entschluß und bestellten 
ihre Leute, weil doch die Demissionsgeschichte des Kaisers in der Schwebe war, 
zum anderen Morgen, den 9. November. Da erst sollte die Entscheidung fallen. 
Wie ich vorhin erwähnte, hatten wir am 8. November, da alle möglichen 
Leute aus unseren Reihen verhaftet waren, die Parole ausgegeben, daß am 
anderen Morgen, am 9. November, ein bewaffneter Aufstander- 
folgen sollte. Meine Freunde Dittmann und Vogtherr, sowie ich, über- 
nachteten im Reichstag in der Nacht vom 8. zum 9. November. Ich wollte und 
mußte unter allen Umständen in Berlin rechtzeitig zur Stelle sein. Am Morgen 
des 9. November waren wir drei im Reichstag in unserem Fraktionszimmer und 
erwarteten Nachrichten von unseren Freunden über den Gang der Erbebung. 
Da erschienen zu meinem großen Erstaunen plötzlich in unserem Fraktionszimmer 
die Herren Reichskanzler Ebert, Staatssekretär Scheidemann und Herr Braun, 
Leute, mit denen wir seit Jahren überhaupt nicht mehr privatim geredet hatten. 
In einer Generalversammlung unserer Partei in Berlin hatte ich nämlich, als 
sie uns den, Vorwärts“ gestohlen hatten, einen Antrag eingebracht, daß diese Leute 
sich im Sinne des Parteistatuts einer ehrlosen Handlung schuldig gemacht hatten. 
Der Antrag war einstimmig angenommen worden. Jetzt, als die Leute zu der 
Überzeugung gekommen waren, daß unsere Erhebung auch ohne ihre Beteiligung 
jedenfalls Erfolg haben würde, kamen sie zu uns in unser Fraktionszimmer 
mit dem Angebot, Halbpart zu machen... An seinen Vorschlag knüpfte 
Herr Ebert die Bemerkung: „JJa, wir halten unsere Leute noch 
bis 12 Uhrzurück.“ Sie wußten also auf Grund unserer in der Nacht aus- 
gegebenen Parole: am Sonnabend den 9. November in aller Frühe treten die 
Arbeiter Berlins in einen Streik und marschieren bewaffnet nach dem Zentrum 
der Stadt, um nötigenfalls jeden Widerstand der Polizei mit Waffengewalt 
zu brechen.. Sie wußten, daß wir bereits die Parole der Revolution 
gegen die Regierung, an deren Spitze Ebert stand, ausgegeben hatten, und nun 
machen sie diesen Revolutionären, die gegen sie selbst Revolution machen wollen, 
das Angebot: „Bitte, meine Herren, wir sind bereit, wir haben auch so etwas 
im Werke.“ 
Ledebours Rede vor dem Schwurgericht des Land- 
gerichts I in Berlin am 20. Mai 1919 in wörtlicher 
Wiedergabe nach dem stenographischen Bericht.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.