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erscheint die Haltung der Ebert und Scheidanann mehr als frag-
würdig.
Man muß den traurigen Mut der Sozialdemokratie, mit dem sie
noch heute ihren Anteil an dem revolutionären Vergiftungsprozeß
leugnet, bewundern, zumal sie schließlich mit ihren eigenen Worten
gerichtet wird, die sie vor dem Kriege der Monarchie zurief: „Die
Weltgeschichte ist das Weltgericht!“ Sie kann wenig oder nichts
dagegen einwenden, wenn man denselben Urteilsspruch über die
Republik des 9. Novembers fällt, deren Staatsform in dem Volks-
und Landesverrat ihrer sozialdemokratischen Begründer
und Nutznießer verankert ist1.
Am 1. August 1915 tagte in der Reichshauptstadt eine von links-
radikaler Seite einberufene Frauenkonferenz Groß-Berlins, die sich
mit den Entschlüssen der Berner Frauenkonferenz von Ostern 1915
solidarisch erklärte und ein energisches Eintreten für den Frieden im
Sinne des Aufrufes „Das Gebot der Stunde“ forderte. Am gleichen
Tage fand in Zürich eine Zusammenkunft verschiedener Linksradikaler
statt, in welcher der österreichische Sozialist Friedrich Adler einen sehr
pessimistischen Bericht über die Lage in Osterreich gab.
Anläßlich der Abstimmung über das Budget im württembergischen
Landtag stimmte die „Sozialistische Vereinigung“, die aus den Ab-
geordneten Westmeyer, Engelhardt und Hoschker bestand, dagegen?.
1 In diesem Zusammenhang sei auf einen Artikel in der „Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung“ Nr. 8 vom 11. 1. 1906 hingewiesen, in dem es heißt:
„.. Damit ist abermals der Beweis für die Richtigkeit der Auffassung er-
bracht, daß die französische Sozialdemokratie patriotisch gesinnt isf. Es
bleibt dabei, daß der Volks= und Landesverrat eine spezifische Eigen-
tümlichkeit der deutschen Sozialdemokratie ist."“
2 Die Ablehnung wurde mit nachfolgender Erklärung begründet: „Die
Unterzeichneten lehnen den Hauptfinanzetat und das Finanz-
gesetz für 1915 ab, entsprechend ihrer UÜberzeugung, die mit den sozialtstischen
Grundsätzen und den Beschlüssen der Parteitage der Sozialdemokratie Deutsch-
lands übereinstimmt.
Nach dieser unserer Uberzeugung ist der Staat die Herrschafts-
organisatton der besitzenden Klassen. Dieser Organisation müssen wir
die Mittel zu ihrer Betätigung, dem Regierungsausschuß der herrschenden Klassen
jede Vertrauenskundgebung grundsätzlich verweigern.
Schärfer denn je hat der Krieg mit seinen imper alistischen
Zielen den Klassencharakter des Staates beleuchtet. Wenn
Breithaupt, Volksvergiftung= 8